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Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)

 Kurzfassung des Jahresberichts 2005

 

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From: Adelheid <tibet@igfm-muenchen.de>



 Kurzfassung des Jahresberichts 2005 des TCHRD über die Menschenrechtslage in Tibet
Date: 04.02.2006 21:39:40
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Wir senden nachstehend die Übersetzung der Fortsetzung der "executive summary" zum
Jahresbericht 2005 des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD),mit den
Abschnitten "Bürgerliche und politische Freiheiten", "Religion" und "Information".
Das Jahr 2005 war für das chinesisch besetzte Tibet recht ereignisreich. Im
schweizerischen Bern fand die vierte Runde des chinesisch-tibetischen Dialogs zwischen
den Gesandten des Dalai Lama und chinesischen Regierungsvertretern statt. Die VR China
beging mit großem Aufwand den 40. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet
(TAR), sie stellte die Verlegung der Gleise für die Qinghai-Lhasa-Eisenbahn fertig,
sie veröffentlichte Weißbücher zu international relevanten Fragen und gab ihren
„revolutionären“ elften Fünf-Jahres-Plan zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung
bekannt. Wie wichtig Präsident Hu Jintao Tibet und die Kontrolle tibetischer Gebiete
nimmt, sieht man an der Berufung einer seiner treuen Gefolgsmänner auf den wichtigsten
Posten in Tibet, den des Parteisekretärs der TAR. So wurde im November 2005 Hus enger
Vertrauter Zhang Qingli zum Nachfolger von Yang Chuantang ernannt, der im Dezember
2004 als Parteisekretär eingesetzt wurde, inzwischen aber, wie es heißt aus
gesundheitlichen Gründen seinen Posten aufgeben mußte.

Am 4. Juni 2005 jährte sich zum 16. Male der blutige Schlag gegen die Demokratie auf
dem Tiananmen-Platz. Mehrere, zumeist Dritt-Welt-Länder haben das chinesische
Anti-Sezessions-Gesetz vom März 2005 unterstützt, das Peking einen Freibrief dazu
gibt, sich ein „Taiwan“ genanntes Territorium zu einem von ihm gewählten Zeitpunkt und
zu von ihm festgesetzten Bedingungen zurückzuholen. 2005 fanden auch die wichtigen
China-Inspektionsbesuche der UN-Hochkommissarin und des UN-Sonderberichterstatters für
Folter statt; ebenso wurde das Land von internationalen Spitzenpolitikern, wie dem
US-Präsidenten und seiner Außenministerin, dem britischen Premierminister und von
weiteren hochrangigen Delegationen besucht. Während sich an dem üblichen Theater
nichts geändert hat, das Peking bei jeder Begegnung des Dalai Lama mit
Persönlichkeiten von Weltrang macht, fuhren die chinesischen Top-Politiker Hu Jintao
und Wen Jiabao fort, auf Goodwilltouren zu gehen, die dem Abschluß von Geschäften, der
Festigung von Kontakten und der Verbesserung des internationalen Ansehens von China
dienen sollten. Mit dem Erfolg der zweiten bemannten Weltraummission „Shenzou VI“
stellte China sein technologisches Können unter Beweis.

Peking wiederholt weiterhin seine abgedroschenen Redensarten und weist bei jeder sich
bietenden Gelegenheit auf seine bemerkenswerten Fortschritte beim Schutz und der
Förderung von Menschenrechten und der Freiheit seiner Bürger in Übereinstimmung mit
dem chinesischen Rechtssystem hin. Anläßlich einer Ausschußdiskussion mit Abgeordneten
der TAR im Chinesischen Nationalkongreß (National People’s Congress) am 5. März 2005
betonte Präsident Hu Jintao, wie wichtig der Aufbau einer harmonischen sozialistischen
Gesellschaft sei, die voll und ganz auf „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Vertrauen,
Vitalität und Ordnung“ gegründet sein müsse, womit er die kürzlich auch von der
Zentralregierung als das neue Richtmaß die für soziale und wirtschaftliche Entwicklung
des Landes verkündete Auffassung wiederholte. Der chinesische Außenminister Li
Zhaoxing behauptete sogar, China respektiere die Menschenrechte eines jeden einzelnen
seiner Bürger voll und ganz.

Anläßlich einer in Aussicht gestellten Revision der Gesetze über die Todesstrafe
verbreitet sich in Juristenkreisen und bei Menschenrechtsaktivisten vorsichtiger
Optimismus, bei dem bevorstehenden 10. Nationalen Volkskongreß sollen diese Gesetze
nämlich durch eine Ergänzung zum Strafverfahrensgesetz nneu geregelt werden. Peking
selbst und auch zahlreiche ausländische Regierungen rühmten den Verfassungszusatz von
2004, denn „zum ersten Male“ habe der Schutz der Menschenrechte Eingang in die
Verfassung gefunden. China-Beobachter, Rechtsgelehrte und Menschenrechtsorganisationen
haben allerdings nach wie vor ihre Zweifel an den Umsetzungsmechanismen und der
tatsächlichen Geltendmachung der entsprechenden Bestimmungen.

Daß sich die VR China der Einhaltung des allgemeinen Standards von Menschenrechten und
Demokratie verpflichtet fühle, ist in den diversen, im Jahr 2005 vom Informationsbüro
des Staatsrates herausgegebenen Weißbüchern über Menschenrechte, Demokratie, Regionale
Autonomie für ethnische Minderheiten und auch in dem aktuellsten über
Friedensentwicklung nachzulesen. Obwohl Menschenrechtsverletzungen und der Mangel an
demokratischen Freiheiten zu den beständigen Grundzügen der nun schon 46 Jahren
andauernden Herrschaft der Chinesen über Tibet gehören, räumte die VR China in ihrem
„Weißbuch zu Demokratie“ erstmals die Probleme, denen sich das Land in dieser Hinsicht
gegenübersieht und die Unerläßlichkeit einer Reform des politischen Systems ein. Auch
im elften Fünfjahresplan wird die Notwendigkeit des „verstärkten Aufbaus einer
sozialistischen demokratischen Politik“ und der „Achtung und des Schutzes der
Menschenrechte“ bekräftigt. Eine ähnliche Erwähnung der Probleme, denen sich China auf
seinem Weg zum Fortschritt gegenübersieht, findet sich auch im Weißbuch über
Friedensentwicklung, in dem zugegeben wird: „Die chinesische Regierung und das
chinesische Volk sind sich darüber im klaren, daß China immer noch ein in der
Entwicklung befindliches Land ist, das auf seinem Weg zum Fortschritt noch zahlreiche
Schwierigkeiten und Probleme zu überwinden hat.“ Hoffnungsvolle Beobachter sprechen
von mehr und mehr Offenheit, von zunehmender Achtung für die Bürgerrechte,
fortschreitender Institutionalisierung und Transparenz beim Ablauf der
Regierungsgeschäfte und so weiter.

Allen Anzeichen, Erklärungen und Fortschrittsbeteuerungen zum Trotz ist das TCHRD sehr
beunruhigt über die Zunahme von Berichten über Menschenrechtsverletzungen im Jahr
2005. Die Tibeter in Tibet haben eine Zunahme restriktiver Maßnahmen in Bezug auf
Religion, Sicherheit und ideologische Kontrolle zu beklagen, ihre Rede-, Meinungs- und
Gewissensfreiheit wurde noch mehr eingeschränkt und von Rechtsstaatlichkeit kann keine
Rede sein. In ganz Tibet sind eine „Kultur der Angst“ und eine „geradezu greifbare
Atmosphäre von Furcht und Selbstzensur“ wahrnehmbar. Gegenüber allen Aktivitäten oder
Ansichten, welche die Kontrolle der Kommunistischen Partei über Aspekte der
Gesellschaft, die sie für wesentlich hält, auch nur im Geringsten in Frage stellen,
herrscht eine Haltung, die keinerlei Toleranz zuläßt. Bis Dezember 2005 sind
schätzungsweise 2.524 Tibeter über den Himalaya nach Indien geflohen, die alle von
Unterdrückung berichten und im Exil die Freiheit finden wollen. Die Informationen, die
das TCHRD im Jahr 2005 erhielt und überprüfte, lassen eindeutig darauf schließen, daß
die schweren Repressionen, die in den vergangenen Jahren vor allem für die östlichen
Regionen Tibets, wie etwa die Provinz Sichuan, charakteristisch waren, nun auch auf
das Gebiet der TAR übergegriffen haben.

Der Vorsitzende der TAR, Jampa Phuntsog, macht mit zwei „berühmten Slogans“ deutlich,
was die beiden wichtigsten Dinge sind, die Tibeter der chinesischen Tibetpolitik
entsprechend zu tun haben: „Einen festen Standpunkt beim Kampf gegen den Separatismus
einzunehmen und die Entwicklung Tibets energisch voranzutreiben“. Während einer
Arbeitssitzung im Vorfeld zum 40. Jahrestag der Gründung der TAR betonte Präsident Hu
Jintao einmal mehr die Bedeutung der Beseitigung des „Separatismus“ und die
Beschleunigung des wirtschaftlichen Fortschritts für Tibet. Diese ständige
Wiederholung der Schlagworte von Stabilität und Fortschritt dient dem Ausbau der
zentralen Kontrolle durch die Verfolgung einer Politik der verstärkten Assimilierung
Tibets an den „geeinten“ chinesischen Staat. Gemäß dem bei der Sitzung verabschiedeten
Beschluß, „jedweder Art von Separatismus und Sabotage entschlossen entgegenzutreten
und die Einheit und Stabilität des Mutterlandes aufrechtzuerhalten“, forderten die
Spitzen-Funktionäre für Staatssicherheit eine Aufstockung ihrer Geheimdienst-Arbeit,
um die feindlichen Kräfte endgültig zu zerschlagen und ihren Aktivitäten ein Ende zu
setzen. Auf Grund von inneren, vorwiegend sozial-ökonomischen Spannungen hat die
bewaffnete Volkspolizei Sondereinheiten aufgestellt, die sogenannten
Anti-Aufruhr-Einheiten, die gegen Terrorismus, Gewaltverbrechen, Aufruhr und bei
Bedrohung der öffentlichen Sicherheit eingesetzt werden. Auch bei größeren
öffentlichen Veranstaltungen wie dem 40. Jahrestag der TAR oder den Olympischen Spiele
im Jahr 2008 sind diese Spezialeinheiten für die Sicherheit zuständig.

Der Dalai Lama drückte sein Bedauern über die „sehr, sehr repressive Politik in der
TAR“, die schlechte Menschenrechtslage in China, die undemokratische Vorgehensweise
der Regierung, den Mangel an Rechtsstaatlichkeit und die ungleiche Umsetzung der den
Minderheiten zustehenden Autonomierechte aus – schließlich gereiche all dies dem
Ansehen Chinas nur zum Schaden. Wie der Gesandte des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen,
erklärt, ist es ein „äußerst beunruhigendes und bedenkliches Zeichen“, daß selbst nach
der Herstellung direkter Kontakte keine Spur von „positivem Wandel“ in Tibet zu sehen
sei, vielmehr eine „Zunahme der Repression“ festgestellt werden müsse.


Human Rights Update - Dezember 2005-2
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) Top Floor, Narthang Building,
Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India phone/fax +91/1892/23363/25874,
e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org

Bürgerliche und politische Freiheiten
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Die chinesische Regierung nennt, wie Amnesty International in seinem ersten Bericht zu
China schreibt, der sich speziell auf die Verteidigung der Menschenrechte
konzentriert, den in der Uighurischen Autonomen Region Xinjiang und in Tibet angeblich
vorkommenden „religiösen Extremismus“ eine von „drei üblen Kräften“, wobei die beiden
anderen der „Separatismus“ und der „Terrorismus“ sind. Ab dem 14. August 2005 fanden
in Lhasa Berichten zufolge, deren Verfasser anonym bleiben möchten, Militärübungen
mit dem Codenamen „Task Force 05“ statt, an denen Angehörige des Sicherheitsbüros der
Stadt, der bewaffneten Volkspolizei und des Staatssicherheitsbüros teilnahmen, um für
den Fall eines plötzlichen Ausbruchs von Unruhen gut gewappnet zu sein.

Auf einer Versammlung der Kader aus sämtlichen Verwaltungsstellen der Stadt Lhasa am
18. August 2005 forderten Vertreter der Zentralregierung, daß vor und während der
Feierlichkeiten zum 40. Gründungstag der TAR außerordentliche Vorsichtsmaßnahmen
ergriffen würden, was sie als eine wichtige „politische Pflicht“ bezeichneten. Jia
Qingling, Mitglied des ständigen Ausschusses des Politbüros und Vorsitzender der
Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (CPPCC), erklärte aus diesem
Anlaß: „Um die soziale Stabilität und die Sicherheit des Staates zu gewährleisten, muß
gemäß dem Gesetz mit aller Härte gegen separatistische Aktivitäten vorgegangen
werden.“ Die Strategie zur Bekämpfung des Separatismus beinhaltete auch die
Wiederaufnahme von Kampagnen wie der des „harten Durchgreifens“ im Sommer und der für
„patriotische Umerziehung“. Beide verfolgen das Ziel, politisch abweichende
Aktivitäten auszuschalten und den Tibetern die „richtige“ Ideologie einzutrichtern,
wobei jedwede Form der Loyalität gegenüber dem als „Separatisten“ gebrandmarkten Dalai
Lama das Hauptziel der religiösen Unterdrückung ist.

Die mehrdeutige Beschuldigung der „Gefährdung der Staatssicherheit“ wird ebenso wie
die Anti-Terror-Bestimmungen des chinesischen Strafrechts weitgehend dazu benutzt,
„separatistische“ Aktivitäten in politisch unruhigen Regionen wie Tibet und Xinjiang
zu kriminalisieren. Besonders in den Tagen um das Gründungsjubiläum der TAR wurden in
Tibet die Sicherheitsmaßnahmen erheblich verstärkt und die Bewegungsfreiheit der
Bevölkerung noch weiter eingeschränkt.

Das TCHRD hat im Berichtsjahr zwanzig bestätigte Fälle dokumentiert, in denen Tibeter
wegen ihrer politischen Überzeugung oder dem Besitz von angeblich „reaktionärem“
Material wie Bildern des Dalai Lama, der verbotenen tibetischen Flagge oder Literatur
aus dem Exil verhaftet wurden. Den Unterlagen des TCHRD zufolge gibt es gegenwärtig
132 politische Gefangene (Stand Dezember 2005), die in den verschiedenen Gefängnissen
und Haftzentren in Tibet dahinvegetieren und enorm leiden müssen.

Die Administrativhaft wird in großem Maßstab angewendet, Gerichtsprozesse entsprechen
nicht den internationalen Rechtsnormen, Häftlinge werden gefoltert und mißhandelt,
Geständnisse werden erpreßt. Dem UN-Sonderberichterstatter für Folter zufolge stellt
das ganze System der „Umerziehung-durch-Arbeit“ einen massiven Verstoß gegen die
Menschenrechte dar, weshalb es dringend abgeschafft werden sollte.

Religion
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Von allen Verletzungen der Menscherechte der Tibeter ist die dramatische und
verstärkte Unterdrückung der Religion in diesem Jahr am besorgniserregendsten. Wie
bereits in der Vergangenheit führte der Verdacht der Behörden, daß es eine enge
Verbindung zwischen dem tibetischen Buddhismus und dem tibetischen Nationalismus gäbe,
zu einer Verschärfung in der Religionspolitik der Regierung. Chinas neue Bestimmungen
über religiöse Angelegenheiten, die am 1. März 2005 in Kraft traten, und die
nachfolgenden Sitzungen zu diesem Themenkreis bewirkten nur noch mehr Einschnitte in
die Religionsfreiheit der Tibeter.

In ihrem Bestreben, die Religion der sozialistischen Lebensführung anzupassen und
staatlicher Kontrolle zu unterwerfen, ordnete die Zentralregierung eine Intensivierung
der Kampagne zur „patriotischen Umerziehung“ und der „Anti-Dalai-Lama“ Kampagne an,
sie griff in den monastischen Lehrplan ein, in die Praxis und das Studium des
tibetischen Buddhismus und verfolgte populäre religiöse Führungsgestalten, was den
tibetischen Buddhismus ständig in den für ihn wesentlichen Dingen beeinträchtigt. In
diesem Jahr war vor allem das Kloster Drepung in den Schlagzeilen, weil es dort wegen
der „patriotischen Umerziehung“, die von den Mönchen eine Diffamierung des Dalai Lama
fordert, zu einem Todesfall, mehreren Ausweisungen aus dem Kloster und zu massiven
stummen Sitzstreiks der Mönche gekommen war.

2005 war das zehnte Jahr seit dem Verschwinden von Gedhun Choekyi Nyima, dem XI.
Panchen Lama Tibets; das Fehlen jeglicher Information über seinen Aufenthaltsort und
seinen Zustand gibt Anlaß zu großer Besorgnis. Indessen läßt Peking nichts unversucht,
um Gyaltsen Norbu, den „falschen Panchen“ zu fördern und ihn als den wahren Panchen
Lama hinzustellen. Xinhuanet News Service vom 28. Juni berichtete, der „chinesische“
Panchen Lama hätte Dutzenden von Landkreisen in Tibet einen Besuch abgestattet. Dabei
habe er überall betont, daß er „die von seinen Vorgängern ererbten patriotischen
Traditionen pflegen und sein Bestes tun werde, um zur Einigung des Landes, der
Einigkeit unter den verschiedenen ethnischen Gruppen und der sozialen und
wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen“. Der Sondergesandte des Dalai Lama, Lodi
Gyari, meinte: „Es geht hier nicht um einen Knaben, nicht nur um einen jugendlichen
Häftling, sondern es geht um die Frage der Reinkarnation. Wenn ein guter Kommunist
behauptet, er habe das letzte Sagen in Sachen Reinkarnation, ist das ein Unding, denn
ein guter Kommunist sollte sich da ja gerade heraushalten“.

Information
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Kontrolle, Zensur und Überwachung der Medien und des freien Informationsflusses sind
nach wie vor für Tibet kennzeichnend. Wegen Pekings Furcht vor Unruhen in den
politisch brisanten Regionen Tibet und Xinjiang, der ständigen Sorge um die Stabilität
im Inneren und um sein Image in der Welt unterliegt der Informationsfluß aus Tibet und
nach Tibet schweren Einschränkungen. Angesichts des gravierenden Mangels an
Transparenz und der Geheimhaltungspraxis der chinesischen Behörden ist die Beobachtung
und Auswertung von Menschenrechtsverletzungen in Tibet weiterhin ein großes Problem.

Von Internetanbietern, Website-Providern und Internet-Cafés wird erwartet, daß sie
das, was ihre Kunden online sehen und tun können, beschränken. Dasselbe gilt für
US-Firmen, die den Chinesen Webseiten zur Verfügung stellen. Yahoo filtert
beispielsweise seine Suchergebnisse, so daß die Suche nach „Free Tibet“ auf Chinesisch
völlig ins Leere führt. Google hat seine Surfer 2005 zwar noch nicht zensiert, doch
das elektronische System der chinesischen Regierung blockiert viele Webseiten, mit
denen Google verbindet. Microsoft hindert Internetbenutzer daran, nach den Worten
Demokratie, Freiheit, Menschenrechte oder Demonstration zu suchen. China hat sogar das
Computerspiel „Soccer Manager 2005“ verboten, weil es Taiwan, Hongkong, Macau und
Tibet als eigene Länder führt.

Mutige tibetische Autoren wie Woeser, die ihre „inkorrekten“ Ansichten über den Dalai
Lama, die Geschichte Tibets und politische Gefangene in Tibet publik machten, sind der
Verfolgung ausgesetzt, während Webseiten, die zur Diskussion einladen und politisch
heikle Themen behandeln, abgeschaltet werden müssen. Chinas Medien sind staatseigen
und werden streng von der Regierung kontrolliert. Damit wird den Bürgern ihr Recht auf
Information verweigert und den Medien ihr Recht auf die Verbreitung von Informationen
über das aktuelle Geschehen in China und im Ausland. Radiosendungen auf Tibetisch wie
die von Voice of Tibet (VOT), Voice of America (VOA) und Radio Free Asia (RFA) sind
die meiste Zeit blockiert oder gestört.

Das ständig wiederkehrende Thema bei Pekings Diskurs über Tibet ist die „aktive“ und
„segensreiche“ Rolle Chinas bei der Entwicklung der Region. Die VR China betont, das
„Recht auf Leben und Entwicklung“ sei das „vordringlichste Bedürfnis des
chinesischen Volkes“, während sie „das Recht auf Lebensunterhalt als das wichtigste
Menschenrecht überhaupt“ bezeichnet, „ohne welches alle anderen Rechte
bedeutungslos“ seien.

Tourismus, traditionelle tibetische Medizin, Abbau von Bodenschätzen, Holzwirtschaft
und traditionelles Handwerk wurden als die fünf Grundpfeiler der Industrie genannt,
die in der TAR entwickelt werden müssen. Das „Western Development Programme“ von
1999 und weitere speziell für Tibet konzipierte Entwicklungsprojekte haben in
bestimmten städtischen Gebieten Tibets tatsächlich eine Verbesserung der
Infrastruktur bewirkt. Für die diesbezüglichen Bemühungen sprechen die Investitionen
zum 40. Jahrestag der Gründung der TAR in Höhe von 6,42 Mrd. Yuan in 24 Projekte,
welche Landwirtschaft, Industrie, Kommunikation, Straßenbau, Bildung, Energie und
das öffentliche Gesundheitswesen betreffen. Offiziellen Berichten zufolge wurden
bereits früher, zum 20. Gründungsjubiläum der TAR, Investitionen in Höhe von 500
Mio. Yuan für 43 Projekte und zum 30. Gründungsjubiläum erneut Investitionen in Höhe
von 4,6 Mrd. Yuan für 62 Projekte getätigt. Nach Aussage des Vorsitzenden der TAR,
Jampa Phuntsok, wurden in der TAR 2004 mehr als 16,6 Mrd. Yuan (2 Milliarden US$) in
den Ausbau der Infrastruktur gesteckt, wobei Peking den Großteil dieser Gelder im
Rahmen des „Entwicklungsprogramms für den Westen“ zur Verfügung stellte. Während
einer Tibetkonferenz auf nationaler Ebene wurde in den vergangenen fünf Jahren für
die TAR eine jährliche Wachstumsrate von 10,7% genannt. Auf dieser Konferenz gab die
chinesische Regierung auch ihren Entschluß bekannt, in den kommenden fünf Jahren in
der TAR 31,2 Mrd. Yuan (ca. 3,76 Mrd. US$) in 117 Projekte zu investieren.

Im Gegensatz zu den zahlreichen offiziellen Berichten über rapides wirtschaftliches
Wachstum, Einkommenssteigerungen, Verbesserungen beim Recht auf Entwicklung und
Aufstockung der staatlichen Investitionen bietet die tatsächliche Lage der Tibeter
ein anderes Bild: Tibet ist nach wie vor die ärmste Verwaltungseinheit Chinas. Von
welchem Blickwinkel aus man es auch immer betrachtet, die Tibeter sind einfach arm,
sie haben einen sehr niedrigen Index für Humanentwicklung, sie sind in allen
Lebensbereichen systematischem Ausschluß, Entbehrungen, Diskriminierung und
Marginalisierung ausgesetzt. Die mehr als 80 % Tibeter, die als Nomaden und Bauern
auf dem Lande leben, hat das Wirtschaftswachstum bisher nicht erreicht. Weil Pekings
Ausgabenpolitik in Tibet auf die Städte konzentriert und nur mangelhaft in die
Ökonomie vor Ort integriert ist, wird sie auch als „Seifenblasenwirtschaft“
bezeichnet, „von der kaum etwas bis zum normalen Bürger hinabsickert“. Die Verarmung
der Tibeter ist eine Folge des vom Staat verordneten Modernisierungsprozesses, denn
sie sind immer weniger in der Lage, an den vorhandenen wirtschaftlichen
Möglichkeiten teilzuhaben. Für jeden Yuan, den die Regierung 2001 für die TAR
aufgewendet hat, verzeichnete das Bruttosozialprodukt einen Zuwachs von nur 0,47
Yuan. Dieser negative Multiplikationseffekt ist seit den 50er Jahren bezeichnend für
Chinas Investitionen in Tibet.

Die Vereinten Nationen warnten davor, daß die zunehmende Wohlstandsschere zwischen
den städtischen und ländlichen Gegenden Chinas – übrigens eine der höchsten weltweit
– für die Stabilität des kommunistischen Staates bedrohlich werden könnte; natürlich
bemüht sich die Regierung hier Abhilfe zu schaffen. Obwohl China im Laufe der
letzten 25 Jahre 250 Millionen Menschen der Armut entreißen konnte, verdoppelte sich
dem aktuellen Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP)
zufolge die Einkommensdifferenz in diesem Zeitraum. Dies wurde auch vom Präsidenten
der Weltbank bestätigt, der am 18. Oktober 2005 sagte, in China gäbe es trotz des
beeindruckenden Wirtschaftswachstums in den vergangenen zwei Jahrzehnten 150
Millionen Einwohner, die in absoluter Armut leben.

China behauptet, den wirtschaftlichen Rechten und der Sicherung des Lebensunterhalts
der Tibeter Priorität vor allem anderen einzuräumen. Im 11. Fünfjahresplan ist
beispielsweise von „fairem, ausgewogenem und nachhaltigem“ Wachstum die Rede –
dennoch haben die Tibeter im Hinblick auf ihre Rechte und ihre Bedürfnisse bisher
keinen Nutzen von der von Peking verordneten Entwicklung gehabt. Letzten Endes sind
die Gründe hierfür in der Verweigerung von Selbstbestimmung und echter Autonomie für
die Tibeter zu suchen. Wenn unter wirtschaftlicher Entwicklung politische Kontrolle
verstanden wird, geht die Bedeutung jeder echten und sinnvollen Entwicklung in Tibet
verloren. Zum Beispiel erfolgte der Bau der Qinghai-Tibet-Eisenbahn, die als ein
Wunder der Ingenieurkunst bezeichnet wurde, eher aus politischen und eigennützigen
Motiven, als daß sie zum Wohlergehen oder Fortschritt der Tibeter gereichen würde.
In offiziellen Verlautbarungen wurde die Notwendigkeit einer Eisenbahn im Hinblick
auf die „Konsolidierung der Landesverteidigung“ und die „Einigung der
Nationalitäten“ betont.

Darüber hinaus brachte das städtisch orientierte rapide Wachstum und der damit
einhergehende Bevölkerungstransfer von chinesischen Immigranten den Tibetern gar
keinen Nutzen. Während die in Dharamsala ansässige tibetische Regierung-im-Exil das
Versprechen der Chinesen, in den nächsten fünf Jahren von dem Landwirtschaftssektor
keine Steuern zu erheben, begrüßte, warf sie den örtlichen Behörden gleichzeitig
vor, daß sie den tibetischen Bauern und Nomaden dessen ungeachtet weiterhin eine
Vielzahl von Steuern und Gebühren aufbürdeten.

Bildung
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Anhand der Berichte und mündlichen Aussagen, die im Laufe des Jahres aus Tibet zu
uns drangen, kann das TCHRD weder Verbesserungen noch Fortschritte beim
Bildungswesen feststellen. Auf Grund von ortsbedingten Unterschieden ist die Lage
allerdings nicht in jeder Region die gleiche. Wie bereits in den vergangenen Jahren
hat die Bildungspolitik den Kindern zu keiner freieren und vollständigeren
Entwicklung verholfen. Obwohl Peking behauptet, die Ausgaben für den Bildungssektor
in Tibet aufgestockt zu haben, bleibt in den meisten ländlichen Gebieten der Zugang
zu qualitativ hochwertiger und breit angelegter Bildung ein unerreichbarer Traum.

Wie aus dem Beschluß des Bildungsministeriums, „die ideologische und ethnische
Erziehung für Grund- und Oberschüler sowie die ideologische und politische Bildung
der College-Studenten zu intensivieren“, ersichtlich wird, wurde dem ideologischen
Aspekt bei der schulischen Bildung 2005 noch mehr Gewicht beigemessen. Durch den
umfangreichen, fast ausschließlichen Gebrauch der chinesischen Sprache in Handel und
Verwaltung wurde das Tibetische zur Sprache zweiter Klasse degradiert. Anlaß zu
großer Sorge bereiten außerdem die verzerrte Darstellung der tibetischen Geschichte,
die exorbitanten Schulgebühren und der Mangel an qualifizierten Lehrkräften in
ländlichen Gebieten.

Zahlreiche Regierungen, Repräsentanten der UNO und Menschenrechtsorganisationen
haben in ihren Berichten, Abhandlungen und Erklärungen Chinas mangelnde Achtung vor
den Menschenrechten und demokratischen Freiheiten zu einem wichtigen Thema gemacht.
Human Rights Watch beschrieb die Menschenrechtslage in China als "düster" und
"trostlos". In dem im März 2005 veröffentlichten Bericht des US-Außenministeriums
zur "Unterstützung von Menschenrechten und Demokratie" wird China scharf
angegriffen. Das Freedom House mit Sitz in den USA gab bekannt, daß Tibet für den
Zeitraum 2004-2005 zu den zwei Regionen der Welt gehört, die bei der Bewertung der
politischen und bürgerlichen Freiheiten am schlechtesten abgeschnitten haben. Tibet
erscheint unter der Rubrik "umstrittene Territorien" und wird, was die politischen
Rechte und die bürgerlichen Freiheiten betrifft, mit der Note sieben und als
"unfrei" eingestuft, womit es weltweit die Region ist, in der am wenigsten Freiheit
herrscht.

Daß es im vergangenen Jahr nicht zur Aufhebung des Waffenembargos gegen China durch
eine zwischen den Verlockungen des chinesischen Markts und ihren moralischen
Skrupeln hin- und hergerissene EU kam, ist nur Chinas Verabschiedung des
Anti-Sezessionsgesetzes, das Taiwan mit Militäraktionen bedroht, zuzuschreiben. Der
Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im deutschen Bundestag, Volker Ruehe,
erklärte lapidar: "Es wird nicht aufgehoben." Im Anschluß an die 9. Runde des
australisch-chinesischen Menschenrechtsdialogs am 27. Juni 2005 kommentierte
Australien, China habe bei den Menschenrechten zwar beachtliche Fortschritte
gemacht, dennoch gäben viele Bereiche immer noch Anlaß zu Sorge.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat während ihres Chinabesuchs die Frage
des verschwundenen Panchen Lama angesprochen und China zur Ratifizierung des
Internationalen Abkommens über bürgerliche und politische Rechte aufgerufen. Die
UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung kritisierte bei ihrem Chinabesuch das
weit verbreitete System der "Umerziehung-durch-Arbeit" (chin. laogai), bei dem
Personen auf Grund von bewußt unklar gehaltenen Anschuldigungen wie "Störung der
sozialen Ordnung" oder "Gefährdung der Staatssicherheit" ohne Gerichtsverfahren
inhaftiert werden, und empfahl, die in der chinesischen Verfassung garantierten
Grundrechte besser zu schützen. Nachdem das UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale
und kulturelle Rechte sich erstmalig mit der Lage in China befaßt hatte, äußerte es
sich "sehr besorgt über die Berichte aus anderen Quellen als der staatstragenden
Partei, sowohl was das Recht auf freie Religionsausübung als dem Recht am
kulturellen Leben teilzunehmen angehe, als auch die Verdrängung der
Minderheitensprachen in den Autonomen Regionen Xinjiang und Tibet in ihrem
täglichen Gebrauch und im Unterricht”. Das Komitee brachte auch seine Sorge "über
den Mangel an effektiver Unterstützung und Entschädigung für Menschen" zum Ausdruck,
"die von Zwangsräumung betroffen sind”, ebenso wie “über den Abriß historischer
Bauwerke, Gebäude und Wohnhäuser in Lhasa."

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, stellte im Anschluß an
seine zweiwöchige Inspektionstour chinesischer Gefängnisse und Haftzentren fest, es
habe, seit China 1988 die Konvention gegen Folter (CAT) unterzeichnete, zwar gewisse
Fortschritte bei der Reduzierung der Gewalt gegen Häftlinge gegeben. Aber er
verurteilte die dennoch weitverbreitete Anwendung der Folter ebenso wie die
Tatsache, daß im chinesischen Strafrecht der "Erlangung von Geständnissen" und der
Bestrafung von "abweichlerischem Verhalten" eine zentrale Bedeutung beigemessen
wird. Er berichtete auch von den zahlreichen Versuchen der Behörden, seine
Ermittlungen zu behindern oder einzuschränken. China bestritt seine Berichte über
Folter später und behauptete, die für diesen Besuch getroffenen allgemeinen
Vereinbarungen seien voll und ganz respektiert worden. Bei einer Prüfung eines
Berichts zu China forderte der Präsident des UN-Komitees für die Rechte des Kindes,
Jacob Egbert Doek, daß von China verlangt werde, einer unabhängigen Person Zutritt
zu Gedhun Choekyi Nyima, dem XI. Panchen Lama Tibets, zu gewähren, damit diese sich
seines Wohlergehens vergewissern könne. Indessen gab Pekings Botschafter bei der UNO
in Genf, Sha Zhukhang, dem Komitee die stereotype Antwort, der Junge und seine
Familie “wünschten nicht, von fremden Besuchern gestört zu werden, weil sich dies
negativ auf ihr Leben auswirken würde”. Gedhun sei ein tibetischer Junge wie jeder
andere auch, der jetzt die höhere Schule besuche und gute Noten nach Hause bringe,
fügte die chinesische Delegation hinzu.

Während der 61. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission (UNHCHR) in Genf wurde
Chinas Verletzung der Menschenrechte erneut unter die Lupe genommen, allerdings
brachte kein Mitgliedstaat eine Resolution ein, in der die Hauptverursacher von
Menschenrechtsverletzungen wie China, Iran, die Russische Föderation (in
Tschetschenien), Turkmenistan, Usbekistan und Zimbabwe verurteilt wurden. Joanna
Weschler, die Vertreterin der Interessen von Human Rights Watch bei der UNO, stellte
völlig richtig fest: “Bei dieser Sitzung zeigte sich wieder einmal deutlich, daß die
Kommission zum alten Eisen gehört und durch etwas Neues und Besseres ersetzt werden
sollte. Obwohl sie einige positive Schritte getan hat, war sie im großen und ganzen
viel befangener als in den letzten Jahren. All das beweist nur, wie notwendig es
ist, die Kommission durch ein Gremium zu ersetzen, das entschiedener gegen
Menschenrechtsverletzungen, gleichgültig in welchem Land, vorgeht, das auf
Menschenrechtskrisen angemessen reagiert und bereit ist, die verursachenden Länder
an ihre Verpflichtungen zu erinnern”. In diesem Zusammenhang ist die Forderung des
UN-Generalsekretärs Kofi Annan, den Menschenrechten den ihnen in der UNO gebührenden
Platz einzuräumen und die UN-Menschenrechtsmaschinerie neu zu strukturieren, von
größter Wichtigkeit.

Portrait eines politischen Gefangenen: Mönch willkürlich inhaftiert
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Der 32 Jahre alte Tsering Dhondup wurde im Dorf Bushang, Gemeinde Ridrong, Distrikt
Phenpo Lhundrup, TAR, geboren. Er besuchte einige Jahre lang die Grundschule in
seinem Dorf und mit 17 Jahren wurde er im Kloster Sera in Lhasa zum Mönch ordiniert.
Dort war er anfänglich für die Betreuung der Statuen im Tempel zuständig, ein Jahr
später wurde ihm die Verantwortung für den Klosterladen übertragen.

Tsering verschwand im Juli 2005 plötzlich aus dem Kloster. Sein älterer Bruder und
die Klosterleitung suchten verzweifelt nach ihm, konnten ihn aber nirgendwo finden,
weshalb sie sich große Sorgen um sein Wohlbefinden machten. Dreizehn Tage später
informierten Mitarbeiter einer Polizeistation von Lhasa das Kloster per Telefon, daß
Tsering sich in ihrem Gewahrsam befinde. Sie sagten, er würde politischer
Aktivitäten bezichtigt und zum Verhör festgehalten. Als Tserings älterer Bruder und
einige seiner Mitmönche ihn im Polizeirevier besuchen wollten, wurde ihnen
mitgeteilt, daß er bereits ins Haftzentrum Gutsa verlegt worden sei, wo er weiter
verhört werde. Unbestätigten Informationen zufolge soll er wegen des Anbringens von
Plakaten für die Unabhängigkeit Tibets verhaftet worden sein. Andere Quellen
berichten, er hätte Bilder des Dalai Lama verteilt, die er zuvor jemandem in großer
Menge abgekauft hätte. Um Beweismaterial sicherzustellen, durchsuchte die Polizei
gründlich Tserings Zimmer sowie den Klosterladen. Es wurde jedoch kein belastendes
Material gefunden. Da keine Beweise für die Anschuldigungen gegen Tsering vorliegen,
hoffen seine Angehörigen auf eine positive Entwicklung des Falles. Derzeit befindet
er sich aber immer noch in Haft, ohne daß Anklage gegen ihn erhoben worden wäre.

Es gab noch mehr Fälle von Festnahmen im Kloster Sera. Im Zuge der Kampagne für
„patriotische Erziehung“ wurden im Mai 2005 acht Mönche verhaftet. Ihr
Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Um den Geburtstag des Dalai Lama am 6. Juli herum
wurde das Kloster dieses Jahr besonders massiv überwacht. Berichten zufolge wurden
chinesische Polizeikräfte im Kloster und in seiner Umgebung stationiert, um die
Aktivitäten der Mönche genau zu beobachten. Am 6. Juli selbst war den Mönchen das
Verlassen des Klostergeländes verboten.

Übersetzung: Irina Raba, Augsburg, Adelheid Dönges, München
Revision: Angelika Mensching, Hamburg

"Annual Report 2005 - Human Rights Situation in Tibet" (TCHRD) steht nun auf deren
Website zum Download zur Verfügung:
http://www.tchrd.org/publications/annual_reports/2005/ar_2005.pdf

Eine ausführliche Behandlung derselben Themen findet sich im Jahresbericht 2004 des
TCHRD. Diesmal wird die Übersetzung erstmals in einem regulären Verlag publiziert
(Longtai Verlag). Durch möglichst viele Vorbestellungen können Sie uns bei der
Finanzierung der Herausgabe helfen.
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Human Rights Update
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
phone/fax +91/1892/23363/25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org, Dezember
2005

Kurzfassung des Jahresberichts 2005 des TCHRD: Die Menschenrechtslage in Tibet:
China, Menschenrechte und Dialog
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Die Menschenrechte waren in der VR China schon immer eine recht verworrene
Angelegenheit. Und diese Verworrenheit rührt von Pekings ungewöhnlicher Sicht und
Wahrnehmung der Menschenrechte her, sowie von seiner Auffassung über deren
Beachtung im allgemeinen. Peking setzt sich mit seinem Konzept des
Kulturrelativismus einfach über die Universalität der Menschenrechte hinweg, und
den Mangel an bürgerlichen und politischen Freiheiten im Lande sucht es mit dem
angeblich an oberster Stelle rangierenden Recht auf Lebensunterhalt zu begründen.
Tatsache ist, daß die eigentlichen Ziele und ideologischen Prinzipien des
chinesischen Kommunismus, der die Pflichten des Individuums gegenüber dem Staat
über seine Rechte setzt, den Menschenrechtsdiskurs in der VR China seinem Inhalt
und seiner Natur nach von vornherein einschränken. Politisch heikle und
unberechenbare Regionen wie Tibet, Xinjiang und Taiwan waren schon immer Pekings
Achillesferse, wo nationale Stabilität und Einheit vor den grundlegenden
Menschenrechten den Vorrang haben. Es wird sich herausstellen, wie lange China noch
fortfahren kann, die freie Rede und andere bürgerliche Freiheiten einzuschränken,
in Anbetracht dessen, daß es eine zunehmend wichtigere Rolle in der Weltpolitik und
Weltwirtschaft übernehmen will, wo ein Defizit an Menschenrechten immer noch ein
Stein des Anstoßes und den guten Beziehungen zwischen den Nationen abträglich ist.

Seit der Mitte der neunziger Jahre hat Peking intensive Lobbyarbeit auf der
internationalen Bühne geleistet, um den Konfrontationskurs, den viele Länder in
ihren Beziehungen zu China in Sachen Menschenrechte an den Tag legten, in
bilateralen Dialog umzuwandeln, in dem es das Gesicht wahren kann. Die Tatsache,
daß der bilaterale Dialog durch fehlende Transparenz, Verantwortungsgefühl und
zeitliche Begrenzung gekennzeichnet ist, hat die einzelnen Länder leider nicht
davon abgehalten, diesen konfrontationslosen Weg einzuschlagen. Ein solch
allseitiges Entgegenkommen wird zumeist den umfangreichen wirtschaftlichen
Versprechungen Chinas und seiner Bedeutung als einer aufsteigenden Supermacht
zugeschrieben.

In dem am 22. Dezember 2005 veröffentlichten Weißbuch über Friedensentwicklung wird
bekräftigt, daß „China sich nicht unabhängig und ohne den Rest der Welt entwickeln
kann, während die Welt umgekehrt China braucht, wenn sie zu Wohlstand gelangen
will“. Die meisten Länder der dritten Welt folgen China brav nach, während der
entwickelte liberale Westen sich „in unterschiedlichem Grade und auf vielerlei
Weise“ auf es eingestimmt hat. Der chinesische Außenminister Li Zhaoxing sagte, als
er einen Überblick über Chinas diplomatische Erfolge 2005 gab, das Land könne trotz
der komplexen internationalen Strukturen entscheidende Erfolge auf der
diplomatischen Bühne verzeichnen. Bei solch einem Szenario kann man natürlich auf
keinen echten Fortschritt in Sachen Menschenrechten hoffen, weil das Thema auf ein
rein diplomatisches Manöver und bloße politische Effekthascherei reduziert wird.
Das Europäische Parlament äußerte sich in seiner Resolution vom 8. September 2005
enttäuscht über das Ausbleiben realer Ergebnisse bei diesem Dialog.

Präsident Hu Jintao, ein Parteiführer der vierten Generation, der jetzt als
Vorsitzender der Zentralen Militärkommission, als Generalsekretär der
Kommunistischen Partei und als Präsident Chinas die drei höchsten Ämter im Staat
innehat, ist ein Mann mit vielen Facetten. Bei aller Ungewißheit über seine
politischen Ansichten und Standpunkte wird Präsident Hu als ein „unnachgiebiger
Mann an der Spitze beschrieben, der entschlossen ist, das kommunistische
Machtmonopol aufrechtzuerhalten“. Andererseits kam es seit der Wiederaufnahme der
chinesisch-tibetischen Kontakte im September 2002 zu vier Gesprächsrunden zwischen
den Vertretern des Dalai Lama und den zuständigen Funktionären der chinesischen
Regierung. Der Dalai Lama ist voller Anerkennung für Chinas wirtschaftliche
Entwicklung in Tibet, er würdigt Chinas Aufstieg zu einem großen Akteur auf der
globalen politischen Bühne und hält weiterhin an seinem seit langem verfolgten
Mittleren Weg fest, auf daß alle Tibeter in den drei traditionellen Provinzen
Tibets sich echter und sinnvoller Autonomie innerhalb des von der Verfassung der VR
China vorgegebenen Rahmens erfreuen können.

Trotz der kümmerlichen Reaktion von chinesischer Seite begrüßen viele Staaten diese
Diskussionen und hoffen, daß se Herstellung von Kontakten irgendwann zu wirklichen
Ergebnissen führen möge. Der Vizeminister Zhu Weigqun (stellvertretender Leiter der
Einheitsfrontabteilung der chinesischen Kommunistischen Partei) äußerte sich
erfreut, daß die direkten Kontakte sich stabilisiert hätten und zu einer Art festen
Einrichtung geworden seien und fügte hinzu, die noch bestehenden Differenzen
könnten ja durch weitere Treffen und regelmäßigen Meinungsaustausch eingegrenzt
werden. Die Gesandten des Dalai Lama sagten, ein wichtiger Anfang sei gemacht
worden, und betonten die Notwendigkeit für beide Parteien, ihre Aufrichtigkeit und
ihr Vertrauen durch kleine, aber konkrete Schritte zu beweisen.

Schlußbemerkung
---------------
Die eigentliche Ursache für die Verletzung der Menschenrechte der Tibeter – ihrer
bürgerlichen und politischen, sowie ihrer wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Rechte – wird zu Recht in der Verweigerung des Rechtes auf
Selbstbestimmung und in der mangelnden Anwendung und der Mißachtung der Gesetze
gesehen. China macht Propaganda und behauptet, dank seiner Politik, der Garantien
der Verfassung und der internationalen Bestimmungen des Völkerrechts, denen es
verpflichtet ist, würden den Bürgern alle Freiheitsrechte gewährt.

Seit der Gründung der TAR 1965 sollte Tibet aufgrund der Verfassung und des
Gesetzes über regionale ethnische Autonomie von 1984 Autonomie auf den Gebieten der
Politik, Wirtschaft, Religion, Kultur, Wirtschaftunternehmungen, Ressourcen,
Bildung und weiteren genießen. Das Muster, das sich in den vier Jahrzehnten
chinesischer Herrschaft jedoch in Tibet herausgebildet hat, ist das einer zentralen
Kontrolle und einer von oben nach unten ausgerichteten Politik, die mit der
notorischen Sorge um Stabilität und der Phrasendrescherei über die Entwicklung
verbrämt wird. Solch eine Vorgehensweise hat zur Folge, daß den Tibetern die ihnen
zustehenden Rechte auf Autonomie und Selbstbestimmung verweigert werden, die von
Chinas Verfassung und von dem vielgerühmten Gesetz über regionale nationale
Autonomie garantiert werden – natürlich auch von dem Internationalen Abkommen über
Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) und dem Internationalen Abkommen über
Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (ICESCR). Die unverminderte
Forderung tapferer Tibeter nach Menschenrechten und Freiheit inmitten einer
repressiven Atmosphäre, die nicht weniger werdenden Berichte über
Menschenrechtsverletzung an Tibetern in allen Lebensbereichen und der alljährliche
Exodus unzähliger tibetischer Flüchtlinge sind ein deutlicher Beweis dafür, daß es
in Tibet keine echte Autonomie gibt, der sich das Volk erfreute.

Das TCHRD ist der Ansicht, daß ein positives Ergebnis der Vorverhandlungs-Kontakte
zwischen Dharamsala und Peking im Sinne echter Selbstverwaltung und sinnvoller
Autonomie mehr Grundrechte und Freiheiten für das tibetische Volk bedeutete. Die
US-Außenministerin Condoleezza Rice bezeichnete Freiheit, Demokratie und
Menschenrechte als „nicht verhandelbare Voraussetzungen der Menschenwürde“. Das
TCHRD möchte auch die Bedeutung von Offenheit, Transparenz, Verantwortungsgefühl,
Freiheit und Respekt vor der Rechtsstaatlichkeit für China hervorheben. Andernfalls
werden noch so viele kosmetische Veränderungen, hohle Phrasen und der Erlaß von
Vorschriften und Neuformulierungen der Politik bei der Menschenrechtslage in China
keinen echten Fortschritt bewirken. Angesichts des drohenden Verlustes der
tibetischen Identität ist es höchste Zeit, daß die Regierung in Peking begreift,
daß der Dalai Lama „nicht der Stein des Anstoßes, sondern der Schlüssel für die
Lösung des Tibetproblems ist“ und damit auf lange Sicht auch für die Erreichung von
Stabilität in Tibet.

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