Jahresbericht über Menschenrechtsverletzungen in Tibet 2002

II

Bürgerliche und Politische Rechte

 

Die Achtung der bürgerlichen Freiheiten

Das Jahr 2002 war gekennzeichnet von wesentlichen Veränderungen innerhalb der politischen Führung der chinesischen Regierung. Im November fand der 16. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (CPC) in Peking statt, wobei es weltweit allerlei Spekulationen über den zu erwartenden Machtwechsel gab. Das Ausmaß, in dem sich die internationalen Medien auf China konzentrierten, spricht für die wachsende Bedeutung der PRC in der Weltpolitik. Bei den Tibetern weckte indessen Hu Jintaos Ernennung zum Generalsekretär der Partei ernste Besorgnisse. Ist ihnen doch Chinas neuer Staatsführer als der Hardliner in Erinnerung, der für die Ausrufung des Kriegsrechts in Tibet verantwortlich war, sowie für andere repressive Reformen, die weit über seine Befugnisse hinausgingen. Die Amtszeit von Hu Jintao in Tibet, von Dezember 1988 bis 1990, markierte das Ende eines relativ liberalen Jahrzehnts in der Region[1].

Im Bestreben sein internationales Image aufzubessern und um den Kritikern an seiner Politik den Wind aus den Segeln zu nehmen, ließ Peking 2002 einige prominente tibetische Gefangene frei, erlaubte zwei ausländischen Medienteams Tibet zu besuchen und empfing die Emissäre der tibetischen Regierung im Exil. Kritische Beobachter bezeichneten die Entlassung der Gewissensgefangenen jedoch als eine Art „Geiseldiplomatie“[2]. Diese Freilassung von politischen Gefangenen, sowie der Rückgang der Inhaftierten insgesamt darf jedoch nicht einer offiziellen Anerkennung des internationalen Menschenrechtsstandards zugeschrieben werden. Das weitverzweigte Netz chinesischer Gefängnisse und Zwangsarbeitslager auf dem tibetischen Hochland, wo zahlreiche Gewissensgefangene für viele Jahre eingesperrt bleiben, hat nicht etwa zu existieren aufgehört. Und die im Jahr des vorliegenden Berichtes freigelassenen Gefangenen wurden zu Unrecht inhaftiert und gefoltert.

Überdies darf Pekings Empfang der zwei Sondergesandten der Regierung im Exil nicht nur positiv gesehen werden, denn kurz nach ihrem Besuch vom September erklärte der Gouverneur der Autonomen Region Tibet (TAR) Legchog, er sei, um ihnen einen Gefallen zu tun, mit einer Gruppe von Tibetern aus dem Ausland zusammengetroffen, habe aber gar nicht gewußt, daß es sich dabei um Gesandte des Dalai Lamas handelte[3].

Nur wenige Monate nach diesem Besuch warnte China Staaten wie Japan und die Mongolei davor, dem Dalai Lama ein Visum auszustellen und ihn in ihr Land kommen zu lassen[4], worauf geplante Besuche des buddhistischen Würdenträgers abgesagt wurden. Dies scheint doch alles andere als ein Anzeichen für die Vertiefung einer Freundschaft zu sein. Und im Oktober 2002 beschrieb der tibetische Vorsitzende der Kommission der TAR für Religionsangelegenheiten Tu Deng (sinisierte Form von Thupten), welche für die Durchsetzung der Regierungspolitik zuständig ist, den Dalai Lama als einen „Spalter und Feind Chinas, dessen Bild deshalb von öffentlichen Plätzen verbannt bleiben sollte“[5].

Der verbissene Kampf der chinesischen Regierung gegen das, was sie seit dem 11 September 2001 als „Terrorismus“ bezeichnet, wurde seither in Gesetze gefaßt. Die um diese Paragraphen ergänzte chinesische Strafgesetzordnung, die im Dezember 2001 in Kraft trat, bedroht Personen, die „eine terroristische Organisation gründen oder leiten“, mit schweren Strafen. So wurden die Gefängnisstrafen von 3 auf 10 Jahre und von 10 Jahren bis lebenslang (§ 120 des Strafgesetzes) erhöht. Dabei wurde der Begriff „terroristische Organisation“ nicht definiert, womit er eine breite und vieldeutige Bandbreite juristischer Interpretationen zuläßt, darunter auch die Kriminalisierung von nicht gewalttätigem, friedlichem politischem Protest.

Im November 2002 erklärte Präsident Jiang Zemin, die herrschende Kommunistische Partei würde den „Terrorismus in allen seinen Formen bekämpfen“ und bat um internationale Kooperation in dieser Sache[6]. China News Weekly zitierte den Professor für öffentliche Sicherheit und Ordnung an der „ China People’s Public Security University„ Wang Xinjian, der sagte , daß terroristische Anschläge uigurischer und tibetischer „Separatisten“ eine ernste Gefahr für die Rechtssicherheit und die öffentliche Ordnung in den Grenzregionen darstellen[7]. Im März 2002 soll das Ministerium für Öffentliche Sicherheit sogar ein Anti-Terrorismus-Büro unter der Leitung von He Ting, dem früheren stellvertretenden Leiter der Abteilung für strafrechtliche Ermittlung, eingerichtet haben[8].

Am 2. Dezember 2002 verurteilte ein Volksgericht in Chengdu zwei Tibeter wegen eines angeblichen Sprengstoffattentats auf dem Hauptplatz der Stadt am 3. April 2002 zur summarischen Hinrichtung (im Schnellverfahren). Der Prozeß fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, und die Angeklagten hatten keinen Rechtsbeistand. Am 26. Januar 2003 wurde einer von ihnen, der 26-jährige Lobsang Dhondup, unmittelbar nach einem geheimen Wiederaufnahmeverfahren hingerichtet.

Es war ein Sieg der chinesischen Diplomatie, als bei der 58. Sitzung der UN Menschenrechtskommission in Genf 2002 keine Resolution zur Verurteilung Chinas wegen seines Umgangs mit den Menschenrechten eingebracht wurde. Ebenso beugte sich die UNO dem Druck Chinas, als sie tibetischen Nicht-Regierungs-Organisationen – insbesondere dem TCHRD, das noch im Jahr zuvor zu der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus (World Conference Against Racism = WCAR) zugelassen war – die Akkreditierung zu dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (World Summit on Sustainable Development = WSSD) verweigerte. Die chinesischen Diplomaten bei der UN-Menschenrechtskommission (United Nations Commission for Human Rights = UNCHR) leugneten 2002 in ihren Reden unverfroren die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte, auf die seit der Wiener Erklärung von 1993 von den UN-Delegierten immer wieder nachdrücklich hingewiesen wird. Dem stellvertretenden Chinesischen Außenminister Wang Guangya zufolge „ist es wegen der unterschiedlichen Geschichte, Kultur, dem unterschiedlichen sozialen System und dem Stadium der Wirtschaftsentwicklung nur natürlich, daß die einzelnen Länder bei der Realisierung der Menschenrechte verschiedene Wege, Ansätze und Vorgehensweisen wählen“. Und Shen Yongxiang, der zweite Vertreter der chinesischen Delegation, behauptete, daß „die Durchsetzung der internationalen Menschenrechte hauptsächlich auf den nationalen legislativen, juristischen und administrativen Maßnahmen beruhe, sowie von den eigenen Anstrengungen des Volkes abhänge; für andere Entscheidungen zu treffen, könne nur kontraproduktiv sein; es solle daher kein Versuch unternommen werden, eines der Rechte auf Kosten der anderen zu fördern“[9]. China beansprucht also das Recht, die Menschenrechte für sich relativieren zu dürfen, was in der Tat die Forderung bedeutet, von dem eigentlichen Konzept der Universalität der Menschenrechte ausgenommen zuwerden.

Dem TCHRD sind 204 Tibeter bekannt, die derzeit aus politischen Gründen in den verschiedenen von den Chinesen in Tibet eingerichteten Haftanstalten eingesperrt sind. Sie sind fast alle in Haft, weil sie die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, auf Glaubensfreiheit, auf Freizügigkeit und Versammlungsfreiheit in Anspruch genommen haben. Das TCHRD vermutet, daß es noch sehr viel mehr Tibeter gibt, deren Fälle nicht geklärt sind und die in den verschiedenen Haftzentren und Gefängnissen dahinvegetieren.

Das folgende Kapitel ist keine vollständige Darstellung der derzeitigen Verletzungen der bürgerlichen und politischen Rechte des tibetischen Volkes: Es ist vielmehr eine Fallstudie, die auf Flüchtlingsberichten von 2002 beruht, aus denen sich dann ein deutliches Bild der Verletzung grundlegender bürgerlicher und politischer Rechte ergibt. Bei zahlreichen Fällen handelt es sich um eine gleichzeitige Verletzung mehrerer Menschenrechte.

 

Das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung

Der Art. 19 des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights = ICCPR) legt deutlich fest:

„Jeder Mensch hat das Recht, seine eigenen Meinungen ohne Einmischung von außen zu vertreten. Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfaßt die Freiheit, Informationen und Ideen jeder Art ohne Rücksicht auf Grenzen, entweder mündlich, schriftlich oder in gedruckter Form, als ein Kunstwerk oder durch irgendein anderes Mittel seiner Wahl zu suchen, zu erhalten und zu verbreiten“.

China unterzeichnete den ICCPR im Jahre 2000, hat diesen Vertrag jedoch bislang noch nicht ratifiziert. Art. 29 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UDHR) macht folgende Vorbehalte:

„Jeder Mensch ist in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zwecke vorsieht, um die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten der anderen zu gewährleisten und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und der allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen“.

China erklärte, daß es sehr wohl „die bürgerlichen Freiheiten gemäß dem Gesetz gewährleiste“,  aber alle diese Garantien den „legitimen Rechten und Interessen des Staates unterliegen“. China ist der Ansicht, daß „jede Regierung Menschen, welche die Sicherheit des Staates und seine Einheit gefährden, bestraft“. Doch bei allen Verhaftungsfällen in Tibet wurden Personen einzig und allein wegen der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechtes der Religions-, Versammlungs- oder Meinungsfreiheit ins Gefängnis gebracht. Demokratische Staaten setzen ihre Bürger nicht für ein ganzes Leben oder für lange Jahre hinter Gitter, nur weil sie einer politischen Organisation angehören, ihre Religion friedlich ausüben oder eine von der Regierungspolitik abweichende Meinung zum Ausdruck bringen.

Es scheint, daß China die Ausübung der von den verschiedenen völkerrechtlichen Instrumenten verbürgten Rechte durch Vorbehalte einzugrenzen sucht.

Im Sommer 2000 klebte Nyima Dakpa, ein Mönch des Klosters Tawu in der Tibetischen Autonomen Präfektur (TAP) Karze, Provinz Sichuan, Plakate an die Tore eines chinesischen Büros, einer Bank und des Gedächtnisparks im Kreis Tawu. Darauf standen Parolen wie „Free Tibet“, „Tibeter in Tibet haben keine Freiheit“ und „Tibet ist kein Teil Chinas“. Früher war Nyima drei Jahre lang in Indien gewesen. Im Mai 2000 wurde er von einem bezahlten tibetischen Agenten denunziert. Nyima wurde in das Haftzentrum des Distrikts Tawu eingesperrt und mit schweren Schlägen traktiert, um ein Geständnis seiner angeblichen Verbrechen zu erzwingen. Am 5. Oktober 2000 wurde er in einem geheimen Gerichtsprozeß unter der Anklage von „Propaganda und Aufhetzung der Volksmassen“ zu 10 Jahren Haft im Gefängnis Tawu verurteilt. Nach dem Urteilsspruch wurde seinen Angehörigen und Freunden das Besuchsrecht zwei Monate lang verweigert[10].

Dawa Tsering wurde 1996 verhaftet und verurteilt, doch das TCHRD erfuhr erst 2002 von seinem Fall. Der aus der Gemeinde Khag, Distrikt Markham, Sichuan, stammende Dawa war wegen der friedlichen Bekundung seiner politischen Überzeugungen zu 15 Jahren im Drapchi Gefängnis verurteilt worden. 1990 hatten Dawa und seine Freunde in Lhasa damit begonnen, ihre Landsleute politisch aufzuklären. Er sprach mit ihnen über die frühere Freiheit Tibets und seine Geschichte. 1996 wurde er zusammen mit einem Freund festgenommen und während der Verhöre schwer geschlagen und gefoltert. Mit seiner 15-jährigen Strafe wird er bis 2011 im Drapchi Gefängnis eingesperrt bleiben[11].

Im Dezember 2002 erreichte ein Mönch Dharamsala in Indien, der aus Tibet geflohen war, um einer möglichen Verhaftung zu entgehen. Der 24-jährige Tashi Delek aus der Präfektur Karze, Provinz Sichuan, hatte nämlich während eines Landfestes im Mai 2002 Videos mit dem Dalai Lama vorgeführt. Im Juni wurde er zu der örtlichen Polizeistation bestellt, wo man ihm nach kurzer Vernehmung seinen Bürgerausweis (shan fein zhang)[12] abnahm, ihn jedoch wieder laufen ließ. Unverzüglich verließ Tashi daraufhin sein Kloster und floh ins Exil[13].

2002 dokumentierte das TCHRD 40 neue Festnahmen von Tibetern im ganzen tibetischen Hochland. Sie alle waren bloß deshalb verhaftet worden, weil sie ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hatten.

 

Das Recht auf Information

Am 11. Januar 2001 machte Präsident Jiang Zemin den Standpunkt der PRC noch einmal deutlich, als er sagte, daß die „Informationsmedien die Lautsprecher der Partei und des Volkes seien“ und die Pflicht hätten, „die Menschen im Sinne des Zentralkomitees der Partei zu erziehen und dessen Intentionen zu propagieren“.

Im Februar 2002 betonte Jiang ferner, daß die wachsende Versorgung Nordwest-Chinas, insbesondere der Autonomen Region Tibet und der Uigurischen Region Xinjiang mit Radiosendungen, die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Regionen fördern und zur Aufrechterhaltung der Stabilität beitragen würde[14].

Wie Anfang August 2002 aus Tibet verlautete, haben die lokalen und regionalen staatlichen Organe einschneidende Beschränkungen bei der Nutzung des Internets eingeführt und wenden nun verschiedene Methoden an, um tibetischsprachige Sendungen aus dem Ausland (VOA, RFA, VOT) zu blockieren. Diese harten Maßnahmen haben unter den Tibetern, die Auslandssendungen hören wollen, zu einer Atmosphäre der Angst und Einschüchterung geführt. Berichten zufolge installierten die Behörden High-Tech Apparate, um akustische Störungen zu erzeugen und die Radiowellen zu verzerren.

„Peking ist eifrigst bestrebt, die Nachrichten, die wir senden, am Durchkommen zu hindern...“, kommentierte Joan Mower, Kommunikations-Koordinatorin beim „Broadcasting Board of Governors“, dem amerikanischen Leitungsgremium, welches für die Sendungen von Voice of America und Radio Free Asia zuständig ist. In ihrer Rede vor der „Executive Commission on China“ des Kongresses am 9. Dez. 2002 berichtete Mower, daß die chinesische Regierung nicht nur die Sendungen von VOA und RFA blockiere, sondern auch den Zugang zu deren Websites verhindere [15].

E-mails, Nachrichten und Beiträge von Voice of America sowie populäre chat rooms, die als Foren für eine lebendige Diskussion über aktuelle Themen dienen, werden abgehört und herausgefiltert. Die Worte Tibet, Taiwan, Xinjiang führen automatisch zum Ausfiltern[16].

Der Sonderberichterstatter der UNO für Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung wies darauf hin, daß die immer schärfere Reglementierung in diesen Bereichen Zeichen einer patriarchalischen Haltung sei und das Potential des Internets, das Recht auf freie Meinungsäußerung in der Praxis zu gewährleisten, zunichte mache[17].

 

Willkürliche Verhaftung und Festnahme

Der Art 9 (1) des ICCPR legt eindeutig fest:

„Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person. Niemand darf willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden. Niemand darf seiner Freiheit beraubt werden, außer aus Gründen und auf eine Art und Weise, die gesetzlich festgelegt sind.“

In einem Land, in dem die Menschenrechte respektiert werden, ist Dissens in politischen Dingen weit davon entfernt verboten zu sein, sondern sogar erwünscht, er wird öffentlich gemacht und als eine gesunde Erscheinung betrachtet. Chinas Repression jeglicher Opposition unter dem Vorwand, daß dies notwendig sei, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu schützen, führen die UDHR, den ICCPR und andere Menschenrechtskonventionen ad absurdum. Die Antwort der Sicherheitskräfte auf gewaltlosen Protest – wie etwa das Zeigen der tibetischen Flagge oder anderer harmloser Symbole kultureller Identität, friedliche Demonstrationen, der Besitz von Photographien des Dalai Lama und das Anbringen und Verbreiten politischer Flugschriften - sind routinemäßig willkürliche Festnahmen, Haft und Folter. Ebenso ist es üblich, Tibeter zum Zweck der Einschüchterung zu verhaften und mehrere Monate festzuhalten. Bei all diesen Fällen willkürlicher Verhaftungen war auch nicht die geringste Spur eines fairen Gerichtsverfahren festzustellen, und die Häftlinge waren Folter und Mißhandlungen ausgesetzt.

Sechs Mönche aus dem Kloster Phukhong im Kreis Sershul, TAR, wurden mehrere Monate lang festgehalten und erst auf Zahlung von Kautionen bis zu 4.000 Yuan wieder auf freien Fuß gesetzt[18].

Am 18. Oktober 2002 wurden fünf Tibeter festgenommen, weil sie in der TAP Karze, Sichuan eine Gebetszeremonie für das lange Leben des Dalai Lama organisiert hatten. Diese fünf - nämlich Jampa Sangpo (37), Namgyal (35), Kayo Dogha (55), Tsering Dorjee (49) und Jampal (40) - durften weder Besuche erhalten, noch wurden ihre Angehörigen über die Gründe ihrer Festnahme informiert[19].

Nicht nur solche „eindeutigen Verbrechen“ wie der Besitz von Bildern des Dalai Lama oder die Abhaltung von Langlebensgebeten für ihn können Tibeter ins Gefängnis bringen. Bereits eine Zeichnung, die der verbotenen tibetischen Nationalflagge nur entfernt ähnelt, kann zur Verhaftung führen. Der Geschäftsmann Nyima Tsering (32) aus Shigatse wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, weil einige thangkas (religiöse Rollenbilder) mit solchen Motiven bei ihm gefunden wurden. Er erzählt:

„In der ersten Augustwoche 2001 kamen bei einer der berüchtigten plötzlichen Kontrollvisiten PSB-Milizionäre und konfiszierten 20 Paar Teppiche (Anm. Teppichbrücken werden paarweise verkauft) im Wert von etwa 4.000 Yuan pro Paar, sowie 12 thangkas. Solche Inspektionen werden eigentlich durchgeführt, um nach unregistrierten Gästen zu fahnden. Es waren thangkas von Chenrezig (Buddha des Mitgefühls, als dessen Inkarnation der Dalai Lama gilt) und sie kosteten etwa 20.000 Yuan pro Stück. Am nächsten Tag verbrannten sie alle konfiszierten thangkas direkt vor meinen Augen. Und sie verlangten außerdem eine Strafe von 6.000 Yuan von mir, obwohl ich sagte, daß ich nicht so viel Geld hätte, um das zu zahlen. Als ich meine Unschuld beteuerte, erwiderten sie, ich hätte diese Zeichnungen absichtlich angefertigt. Sie hielten mir vor, daß es ein politisches Vergehen sei, wenn ich Schneelöwen oder Schneeberge male oder aufnähe“[20].

 

Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren

Die chinesische Verfassung legt fest, daß die Rechtsprechung durch die Gerichte gemäß den Gesetzen unabhängig zu erfolgen habe. In der Praxis ist die Judikative jedoch den politischen Vorgaben sowohl der Regierung als auch der Kommunistischen Partei (CCP) unterworfen. Auf lokaler und zentraler Ebene mischen sich die Regierung und besonders die CCP sehr häufig in die Urteilsfindung und die Rechtsprechung ein und diktieren den Gerichtshöfen ihre Entscheidungen. In Tibet sind die Mehrheit der Richter Tibeter, aber die meisten von ihnen haben nur eine geringe oder gar keine juristische Ausbildung und daher wenig Ahnung von der Sache. Die Verhandlungen finden hinter verschlossenen Türen statt, und die Angeklagten bekommen niemals unabhängige Rechtsanwälte zur Seite gestellt. Das chinesische Strafgesetz gewährt den Angeklagten ein Recht auf Berufung innerhalb von 10 Tagen nach dem Urteilsspruch, doch sind erfolgreiche Berufungen etwas äußerst Seltenes.

Der Fall, welcher 2002 international am meisten Aufsehen erregte, war die Verurteilung der zwei Tibeter Tulku Tenzin Delek[21] (Angag Tashi, chin. A’an Zhaxi) und Lobsang Dhondup zu summarischer Hinrichtung im Dezember 2002. Quellen aus Tibet zufolge und wie Sichuan People’s Daily (am 3. Dezember) bestätigte, wurde Lobsang Dhondup zum sofortigen Tode mit lebenslangem Verlust der politischen Rechte und Tulku Tenzin Delek zum Tode mit einem zweijährigen Vollzugsaufschub verurteilt.

Am 2. Dezember fand eine Anhörung vor dem Mittleren Volksgericht von Karze in der TAP Karze, Sichuan, statt. Den zwei Angeklagten wurde die Beteiligung an einem Sprengstoffattentat am 3. April auf dem Hauptplatz (Tianfu) in Chengdu zur Last gelegt. Andere gegen sie erhobenen Anklagen lauteten auf „illegalen Waffenbesitz“ und „spalterische Tätigkeiten“.

Später wurde berichtet, der Tulku habe dem Gericht falsche Unterstellungen und ein unfaires Verfahren vorgeworfen und gerufen: „Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama!“. Das sofort herbeigeholte Sicherheitspersonal knebelte den Tulku mit einem Stoffetzen. Er soll dann in einen anderen Raum des Gebäudes geschleift worden sein[22]. Diese bisher einmaligen Todesurteile gegen tibetische politische Gefangene führten weltweit zu Schlagzeilen. Im Dezember wurde der Fall an das Höhere Volksgericht von Sichuan verwiesen, und Wang Lixiong[23] zufolge waren zwei prominente chinesische Anwälte, nämlich Zhang Sizhi und Li Huigeng[24], bereit, den Rinpoche auf die Bitte seines Bruders Tsering Lolo hin zu verteidigen. Der Richter des Provinzgerichtes von Sichuan, Wang Jinghong, teilte am 29. Dezember jedoch mit, ihre Dienste seien nicht erforderlich, denn zwei ortsansässige Anwälte aus der Präfektur Karze würden den Tulku vor Gericht vertreten[25]. Am 27. Dezember hatten Li und sein Kollege dem Richter Wang ihre Absicht, Tenzin Delek zu verteidigen, telefonisch mitgeteilt und über die Bereitstellung eines Dolmetschers für den Rinpoche gesprochen. Der Richter Wang hatte ihnen zu einem Dolmetscher aus der Gegend geraten, weil Tibeter aus Peking oder Chengdu den lokalen Dialekt vielleicht nicht verstehen würden. Zu diesem Zeitpunkt erwähnte Richter Wang die beiden Anwälte, die der Tulku angeblich mit seiner Verteidigung beauftragt hätte, noch nicht.

Wang Lixiong meint, diese plötzliche Entwicklung sei darauf zurückzuführen, daß die Provinzregierung von Sichuan Druck auf den Richter Wang ausgeübt habe, die zwei bekannten Pekinger Anwälte nicht für die Verteidigung des Rinpoche zuzulassen. Wang kommt zu dem Schluß, daß nur Rechtsanwälte von außerhalb Sichuans eine faire Verteidigung hätten garantieren können, weil sie jenseits der Kontrolle der Provinzbehörden stehen. Auch hätten die zwei ortsansässigen Anwälte kaum die Fähigkeit und den Mut gehabt, energisch aufzutreten, weil sie ja in der Präfektur Karze leben und von den dortigen Behörden abhängig sind. Wang vermutete daher, daß dem Tulku bei einem Berufungsverfahren keine Gerechtigkeit widerfahren werde.

Berichten zufolge suchten am 27. Dezember Behördenvertreter Tsering Lolo in seiner Wohnung in Lithang auf und verwarnten ihn, weil er versucht hatte, Rechtsanwälte aus Peking anzuheuern. Der Tulku soll indessen am 6. Januar 2003 aus Protest gegen die Behandlung im Gefängnis und weil ihm ein faires Gerichtsverfahren verweigert wurde, in unbefristeten Hungerstreik getreten sein. Zuverlässigen Quellen zufolge begann er damit, nachdem zwei Vertreter der Zentralregierung ihn am 6. Januar besucht hatten. Er soll ihnen erklärt haben, daß er auf ihre Fragen nicht antworten wolle, weil sie doch kein Interesse daran hätten, die Wahrheit herauszufinden.

Am Sonntag, den 26. Januar 2003, wurde Lobsang Dhondup (28) von den chinesischen Behörden nach einem geheimen Wiederaufnahmeverfahren in der TAP Karze (chin. Ganzi) hingerichtet. Diese Exekution gibt Anlaß zu ernsten Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtslage in Tibet. Vom ersten Tag an fehlte jegliche Transparenz, die Opfer wurden gewaltsam festgenommen und in der Untersuchungshaft gefoltert und geschlagen. Über die Tatsache, daß ihnen ein unabhängiger Rechtsbeistand sowie ein fairer Prozeß verweigert worden waren, wurde einfach hinweggesehen, um den Weg  für die hastige Exekution von Lobsang Dhondup freizumachen.

Textfeld:  


Pekings Wahrnehmung religiöser Führer als eine Bedrohung seiner Macht führte zu einer Reihe von Festnahmen hochverehrter Lamas in Osttibet wie Geshe Sonam Phuntsok, Khenpo Jigme Phuntsok und Tulku Tenzin Delek. Khenpo Jigme Phuntsok, der in Chengdu unter Hausarrest stand, kehrte im August 2002 in das buddhistische Institut Serthar zurück[26]. Jüngsten Berichten zufolge soll sich sein gesundheitliches Befinden wieder verschlechtert haben. Geshe Sonam Phuntsok verbüßt derzeit eine Strafe von fünf Jahren im Haftzentrum Karze. In allen drei Fällen hatten die beschuldigten religiösen Würdenträger in den vergangenen Jahren Indien besucht und beim Dalai Lama eine Privataudienz gehabt.

Pema Phuntsok, der Dorfvorsteher von Mong Sa in dem Distrikt Karze, Sichuan, wurde im November 1999 zu zweieinhalb Jahren im Gefängnis Menyang verurteilt. Der 39-jährige Pema hatte etliche religiöse Veranstaltungen organisiert und mehrmals Geshe Sonam Phuntsok eingeladen, um die Gebetszeremonien zu leiten. Seine Entlassung hätte schon längst erfolgen sollen, doch das TCHRD hat bislang noch keine diesbezügliche Bestätigung erhalten.

Der Mönch Dhondup (25) floh nach Indien, um weiteren Verhören und Folterungen zu entgehen. Wie er sagte, galt er als verdächtig, weil er mit dem persönlichen Diener des Gyalwa Karmapa, Drunag, verwandt ist. Er wurde immer wieder vernommen, geschlagen und bedroht, um Informationen über die Flucht des Karmapa[27] zu erpressen. Seit der dramatischen Flucht des Karmapa nach Indien Ende Dezember 1999 wird sein Hauptsitz, das Kloster Tsurphu, scharf überwacht[28]. Die chinesischen Behörden belegten Tsurphu mit schweren Restriktionen und nahmen Yongzin Nyima, den Mentor des Karmapa, sowie die Mönche Thupten und Namla 2002 innerhalb von sechs Monaten fest. Wie das TCHRD erfuhr, wurde Thupten, als er im Januar 2002 nach Indien zu fliehen versuchte, gefaßt, Namla im März in Osttibet und der Mentor Nyima im Juni in Kongpo. Bislang gibt es keine eindeutigen Hinweise auf ihren Aufenthaltsort noch auf ihren Gesundheitszustand[29].


 

[1] „Beijings’s leader in waiting”, The Guardian, 14 November 2002.

[2] Philip Pan, “China steps up prisoner diplomacy”, The Washington Post, Beijing, 19 October 2002.

[3] Julie Chao, „China reaches out to critics“, COX News Service, 19 October 2002.

[4] „China protestiert gegen ein geplantes Treffen des Dalai Lama mit japanischen Politikern“, AFP, Beijing, 11 November 2002.

[5] John Gittings, „Protest zu Hause und internationale Besorgnis halten an, doch Peking kontrolliert streng die Religionsfreiheit der Tibeter“, The Age, Melbourne, 26. Oktober 2002.

[6] „Jiang rejects Western-style politics”, The Washington Times, Friday 8 November 2002.

[7] Mark O’Neill, „Xinjiang Separatists called top terror threat“, South China Morning Post, Beijing, 4 Nov 2002.

[8] s.o.

[9] Aussagen bei der 58. UN Menschenrechtskommission, März-April 2002.

[10] „Rückkehrer aus dem Exil wegen Klebens von Plakaten zu 10 Jahren verurteilt“, Human Rights Update, TCHRD, April 2002, S. 2.

[11] „Mann politischen Aktivismus wegen zu 15 Jahren verurteilt“, Human Rights Update, May 2002, S. 1.

[12] Mehr zu diesem Dokument folgt in dem Kapitel über Freizügigkeit.

[13] „Mönch entgeht der Festnahme wegen Vorführung eines Dalai Lama Videos“, Human Rights Update, December 2002, p. 6.

[14] “Xinhuanet „Call to increase radio, TV coverage in Tibet“, Beijing, 1 Feb 2002.

[15] Washington File „Chinese Government still jams VOA, RFA Broadcasts“, 11 Dec 2002.

[16] s.o.

[17] UN Doc E/CN, 4/2002/75, Menschenrechtskommission 58. Sitzungsperiode, Punkt 11 der vorläufigen Tagesordnung. „Bürgerliche und Politische Rechte, einschließlich der Frage nach der freien Meinungsäußerung, 30 Jan 2002, S. 23.

[18] Interview 340/2001 des TCHRD Archivs.

[19] http://www.savetibet.org/News.

[20] „Wohlhabender Geschäftsmann flieht aus Tibet“, Human Rights Update, August 2002, S. 2.

[21]Tulku Tenzin Delek ist ein bekannter Lehrer der Religion und Philanthrop aus Lithang, Näheres siehe das Kapitel über das Recht auf Glauben und Religionsausübung.

[22] Tulku Tenzin Delek, ein hoch angesehener Lehrmeister aus dem Distrikt Lithang in der TAP Karze, wurde in der Nacht des 7. April 2002 zusammen mit Lobsang Dhondup und drei weiteren Gehilfen in Gewahrsam genommen; acht Monate lang, bis zum Tage der Gerichtsverhandlung wurde er ohne Verbindung zu Außenwelt gehalten.

[23] Chinesischer Historiker und Intellektueller.

[24] Zhang und Li hatten den chinesischen Dissidenten Wei Jingsheng 1995 verteidigt, Zhang auch noch einen anderen chinesischen Dissidenten Wang Juntao.

[25] Chinesisch-sprachige Website Duowei (diverse Perspektiven) am 31. Dez. 2002.

[26] Siehe Kapitel über das Recht auf Glauben und Religionsausübung.

[27]Angeblicher Fluchthelfer des Karmapa schikaniert“, Human Rights Update, September 2002, S. 5.

[28] „Flucht des Karmapa: Sorge um die Sicherheit seiner Eltern und Verwandten“; Human Rights Update, Februar 2000, S. 1.

[29]„Der Mentor des Karmapa und zwei seiner Assistenten verhaftet“, Human Rights Update August 2002, S. 2.

 

 

 

Neue Festnahmen Februar 2003

Zuverlässigen Quellen zufolge wurden noch zwei weitere Tibeter aus dem Distrikt Karze, Provinz Sichuan, im Zusammenhang mit dem Fall von Tulku Tenzin Delek und Lobsang Dhondup festgenommen - wahrscheinlich unter dem Verdacht der Weitergabe von Informationen über den Tulku und Lobsang Dhondup.

Am 12. Februar wurde der 34-jährige Geschäftsmann Taphel um 19.00 Uhr von sechs Polizeibeamten in seiner Wohnung verhaftet. Die aus der Gemeinde Lithang Zampa stammende Frau Taphels ist die Nichte des Tulku. Die Familie zählt acht Personen, darunter auch Taphels Vater Wangdu.

Der zweite Festgenommene ist Dhedhe (Di-Di), ebenfalls ein Geschäftsmann, aus der Gemeinde Lithang Derge. In der Nacht des 14. Februar wurde er im Distrikt Nyakchuka von der Polizei verhaftet. Dhedhe ist ein Cousin von Tulku Tenzin Delek. Er war einer der zwei Verwandten, die bei der nicht-öffentlichen Gerichtsverhandlung, bei welcher der Tulku und Lobsang für schuldig befunden wurden, anwesend waren.

Unlängst wurde bekannt, daß eine dritte Person, nämlich Tsering Dhondup, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Tsering Dhondup wurde etwa zwei Monate nach Tulku Tenzin Deleks Festnahme am 7. April 2002 verhaftet. Er ist Ortsvorsteher von Othok im Distrikt Nyakchuka. Einer zuverlässigen Information zufolge befindet sich Tsering Dhondup derzeit in dem Haftzentrum von Dartsedo. Dem TCHRD wurde bisher noch nichts über den Aufenthaltsort von Taphel und Dhedhe oder die gegen sie erhobenen Beschuldigungen bekannt.

 

Propaganda versus Realität

Wie im März 2002 verlautete, wollten chinesische Behörden einen Dokumentarfilm über das berüchtigte Drapchi Gefängnis in Lhasa drehen, in dem sie beabsichtigten, ein exzellent geführtes Gefängnis, in dem wohl ernährte Gefangene nett behandelt werden, vorzustellen. Mehrere politische Insassen verweigerten jedoch an dem Tag, an dem der Film gedreht werden sollte, die Kooperation. Einige der Gewissensgefangenen sollen geschlagen worden sein, während andere als Strafe für ihre Weigerung, sich filmen zu lassen, in Isolationszellen verbracht wurden[1].

Ehemalige politische Gefangene, von denen viele nach ihrer Entlassung ins Exil geflohen sind, schildern das Leben in der Haft jedoch ganz anders, als es die Berichte von den staatlich geförderten Medien in Tibet glauben machen wollen.

Der 73-jährige Takna Jigme Sangpo, ein prominenter politischer Gefangener, der den größten Teil seiner sich auf 40 Jahre summierenden Haftstrafe hinter Gittern verbracht hat, wurde Mitte 2002 aus medizinischen Gründen freigelassen. Nach seiner Freilassung erklärte er: „Das Wichtigste ist jetzt, wo ich beginne ein Leben in Freiheit und Glück zu erleben, die tiefe Besorgnis um das Schicksal meiner ehemaligen Mitgefangenen, die weiterhin in finsteren Gefängnissen gequält werden“[2].

Trotz der verschärften Überwachung der Grenze und der brutalen Behandlung, welche die nepalesischen Behörden tibetischen Flüchtlingen angedeihen lassen, waren es immerhin 1.378 Personen, die vom 2. Januar 2002 bis zum 10. Januar 2003 aus Tibet flohen, von denen sechs ehemalige politische Gefangene sind. Ein charakteristischer Fall ist der des ehemaligen politischen Gefangenen Dhak Lobsang, der im Dezember 2002 Indien erreichte. Aus dem Kloster Lithang in der Präfektur Karze, Sichuan, stammend, verbrachte er fünf Jahre im Drapchi Gefängnis in Lhasa, überlebte jedoch die intensive Folterung. Am 19. August 1993 wurde er mit vorgehaltener Pistole politischer Aktivitäten wegen festgenommen, während PSB Milizionäre sein Zimmer nach politisch belastendem Material durchwühlten. Hier ist sein Bericht:„Nach etwa 500 m Weg kam ein Polizei-Jeep angefahren, in den ich gepackt und in das PSB-Haftzentrum Lithang, das nur etwa 1 km vom Kloster entfernt ist, gebracht wurde. Dort steckten sie mich in eine dunkle Kammer, die sich als ein Verhörraum entpuppte. Kurz darauf kamen sieben PSB Offiziere, um mich zu vernehmen. Zuerst fragte mich einer von ihnen, ob ich überhaupt wisse, warum ich hier auf der Polizeiwache sei. Ich antwortete, ich wüßte es nicht. Dann sagten sie mir, ich solle nicht so schlau tun, ich wüßte den Grund doch ganz genau. Sie rieten mir, die Wahrheit zu sagen, weil dann meine Strafe geringer ausfallen würde. Nun schwieg ich ganz. Nach der dritten Warnung erklärten sie mir, vor mir lägen nun zwei Wege, nämlich ein weißer und ein schwarzer, und es hinge von mir ab, welchen ich wählen würde. ‚Es liegt ganz in deiner Hand’, sagten sie. Als ich mich weigerte, etwas auszusagen, warfen sie mir vor, ich würde lügen. Ich wurde geschlagen und getreten. Sie traktierten mich mit Stöcken, elektrischen Knüppeln und anderen Folterinstrumenten. Kein einziger Teil meines Körpers blieb verschont, und ich büßte zwei meiner Vorderzähne ein. Ich glaubte, dem Tode nahe zu sein. Nachdem sie mich etwa eine Stunde so traktiert hatten, wurde ich ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, daß sie kaltes Wasser auf mich geschüttet hatten, um mich aufzuwecken und mich weiter schlagen zu können. Mehrere Male verlor ich das Bewußtsein und jedes Mal gossen sie wieder kaltes Wasser über mich. Ich war nicht mehr in der Lage, zu sprechen oder zu stehen oder mich zu bewegen, ich konnte kaum noch die Augen offenhalten.

Um etwa fünf Uhr morgens packten mich zwei Milizionäre an den Armen und zerrten mich in einen anderen Raum, wo Passang, der Kreischef von Lithang, und Chakdrup, der PSB-Chef von Lithang, mich erwarteten. Kaum hatte ich den Raum betreten, da versetzte mir Chakdrup eine heftige Ohrfeige mit der Bemerkung: ‚Dieser Kerl hier ist der Unruhestifter’. Dann sagte Passang, ich solle doch nicht ‚meinen eigenen Tod herbeiführen’ und ich hätte noch Gelegenheit, den weißen Pfad zu wählen, d.h. meine Taten zu gestehen. Als ich stumm blieb, warfen mich die Beamten in eine Haftzelle. Zwei Tage später schleppten sie mich wieder in die Folterkammer und fingen von neuem mit ihren von Schlägen begleiteten Fragen an. Sie drangen immer wieder in mich: ‚Hast du noch andere Freunde? Welche Beziehungen pflegst du außerhalb Tibets? Wer beauftragte dich, die Slogans zu schreiben?’ Im Verlauf von drei Monaten wurde ich 13 Mal auf diese Weise vernommen.

Drei Monate lang war ich im PSB-Haftzentrum von Lithang in Gewahrsam. Die Handschellen wurden mir nur fünf Minuten für einen zweimaligen Kleiderwechsel abgenommen.

Sie pferchten mich zusammen mit über 11 weiteren Personen in einen winzigen Raum. Dieser war so überfüllt, daß wir uns kaum darin bewegen konnten. Jeder hatte nur einen Fußbreit Platz zum Schlafen, so daß wir auf der Seite liegen mußten. Es gab zwei unbedeckte Eimer als Toilette in dem Raum. Der schreckliche Gestank dieser Eimer zusammen mit dem Gedränge war unerträglich, und man hatte das Gefühl zu ersticken. Aber wir hatten keine andere Wahl. Das Essen, das sie uns gaben, war kaum genießbar, es war so schlecht und so dürftig, daß viele meiner Mitgefangenen erkrankten. Nur Schweine hätte man damit füttern können“[3].

Ein anderer ehemaliger politischer Gefangener, der 30-jährige Mönch Soepa (Ordinationsname Loden Thupten), aus dem Dorf Mancho, Präfektur Chamdo, TAR, berichtet auch von Folterungen, was den Behauptungen der Chinesen widerspricht. Ab 1996 saß Soepa wegen seiner politischen Aktivitäten fünf Jahre im Drapchi-Gefängnis. Er erzählt:

Die PSB Milizionäre wandten bei mir verschiedene Foltermethoden an. Um Informationen aus mir herauszupressen, wurde ich mit einem elektrischen Schlagstock traktiert. Dann gossen sie Alkohol auf meinen Kopf und berührten mich mit diesem Elektrostab, was mir entsetzliche Pein verursachte. Nun legten sie ein Joch auf meinen Nacken, hinter dem meine Arme senkrecht nach oben ragten. Gleichzeitig ließen sie mich auf zwei spitzen Steinen knien, während sie mir einen Stock in die Kniekehlen klemmten. Als ich mich, unfähig die qualvolle Position zu ertragen, ein wenig bewegte, traten sie auf den Stock in meiner Kniekehle. Der Schmerz war unerträglich. Es war vor allem ein tibetischer Milizionär namens Wangdu, der mir diese Tortur zufügte. Auf diese Weise wurde ich einen ganzen Tag lang in dem PSB Büro vernommen und dabei gefoltert. Am Abend brachten sie mich in das Haftzentrum von Chamdo.

Dort wurde ich erneut alle zwei bis drei Tage vernommen. Bei jeder Sitzung wurde ich geschlagen und gegen die Wand geschleudert. Die Folterer schlugen mich auf den Kopf und versetzten mir Tritte gegen die Brust.

Ich wurde nach Verbüßung meiner Haftstrafe am 1. Mai 2001 entlassen. Mir wurde befohlen, Lhasa innerhalb von 20 Tagen zu verlassen, weshalb ich mich an meinen Heimatort begab, wo ich etwa 9 Monate blieb. Dann ging ich wieder zurück nach Lhasa, von wo aus ich am 30. September 2002 aufbrach und am 10. Oktober das Tibetische Flüchtlingslager (TRC) in Kathmandu erreichte“[4].

 

Tod durch Folter in der Gefangenschaft

Dieses Jahr erfuhr das TCHRD von zwei Todesfällen politischer Häftlinge, die auf Mißhandlung zurückzuführen sind. Lobsang Dhargyal starb am 19. November 2002 in einem Reform-Arbeits-Lager in der Stadt Siling (chin. Xining), Qinghai. Wegen angeblicher „Spionage“ und „spalterischen Tätigkeiten“ verbüßte er 16 Jahre. Das Arbeitslager, in dem er inhaftiert war, ist eine riesige Produktionsanlage für Wasserkraftwerke (Anm.: TIN News: “Neue Information über ein laogai in Amdo“ vom 18. April 2003).

 

Das Recht auf Freizügigkeit

Der Art. 13 der UDHR lautet: „Jeder Mensch hat das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes innerhalb eines Staates“.

„Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie in sein Land zurückzukehren“.

Während der Wintermonate, besonders im November, Dezember und Januar, wenn die Himalaya-Pässe den chinesischen Sicherheitskräften zu kalt sind, nimmt gewöhnlich die Anzahl der Flüchtlinge aus Tibet beträchtlich zu. Annähernd 2.000 bis 3.000 Tibeter, einschließlich der Kinder, flohen bisher jedes Jahr (Anm. Wegen verschärfter Grenzüberwachung erreichten 2002 nur 1.378 Tibeter das Tibetan Refugee Centre in Indien, darunter 715 Kinder, siehe Human Rights Update März 2003).

Die Regionalregierung der TAR stellt dreierlei Ausweise aus: den hu zhao, den shan fein zhang und den tong xin zhang. Bei dem hu zhao handelt es sich um einen chinesischen Reisepaß, der von dem Paß-Amt des PSB in Lhasa ausgestellt wird. Einen solchen zu bekommen, ist ein langwieriger und schwieriger Prozeß, wobei Schmiergelder und gute Beziehungen eine große Rolle spielen. Der tong xin zhang ist ein Dokument, das zur Reise in Grenzsperrgebiete berechtigt. Es wird von regionalen Verwaltungsbüros ausgestellt und muß den Zweck der Reise ausweisen. Ein solches Reisedokument erhält man erst auf Vorlage des shan fein zhang, des Staatsbürgerschaftsausweises. Ob diese Papiere nun auf legale oder nicht ganz so legale Weise erworben werden, ohne die zuständigen Beamten zu schmieren und Beziehungen spielen zu lassen, gibt es sie nicht. Tibeter, die keine Mittel dazu oder keine Beziehungen haben, müssen die gefährliche Reise über die Berge ohne die notwendigen Reisedokumente antreten.

Auch scheint während politisch heikler Perioden oder bei Besuchen ausländischer Honoratioren in Tibet die Bewegungsfreiheit der Menschen innerhalb Tibets noch mehr eingeschränkt zu werden. Wie berichtet wird, gelten solche Beschränkungen jedoch nicht für die Zuwanderer aus China. So heißt es bei Amnesty International: „Die Hartdurchgreif-Kampagne wurde im April 2001 wieder mit größerer Intensität aufgenommen und von den regionalen Behörden und auf Provinzebene weiter ausgedehnt. In Tibet richtet sie sich auch gegen Leute, welche „’Personen illegal über die Grenze führen’“[5].

Es gab zahlreiche Fälle, in denen Flüchtlinge von ihren guides (Wegführern) im Stich gelassen wurden, als die Festnahme durch Grenzschutzeinheiten drohte. In solchen Situationen laufen die Flüchtlinge am meisten Gefahr, ausgeraubt, verhaftet oder sexuell belästigt zu werden oder gar ihr Leben zu verlieren.

Tibeter gehen viele Risiken ein, wenn sie ins Exil fliehen wollen. Abgesehen von der Gefahr, durch die chinesische Grenzpolizei gefaßt zu werden, müssen die Flüchtlinge neuerdings auch die Festnahme jenseits der Grenze Nepal fürchten. Unlängst haben die chinesischen Behörden die Überwachungsmaßnahmen an der Grenze verschärft und gehen nun verschärft gegen die guides vor, die sich verbotenerweise als Fluchthelfer betätigen.

 

Willkür, Mißhandlung und Festnahme durch die chinesischen Grenzschutzeinheiten

Es gab in diesem Jahr zahlreiche Fälle von Festnahmen auf der tibetischen Seite der Grenze, wobei die meisten überhaupt nicht bekannt werden. Normalerweise folgt auf die Festnahme eine Haftzeit von mehreren Monaten, während der die Tibeter, die zu fliehen versuchten, vernommen und mißhandelt werden.

Der 30-jährige Tashi stammt aus dem Dorf Rishoekha, TAP Kanlho, Gansu. Dreimal wurde er bei Fluchtversuchen geschnappt, eingesperrt und seiner Habe und des Geldes, das er sich für die Flucht beschafft hatte, beraubt. Er erzählt:

„Im ganzen wurden mir 50.000 Yuan abgenommen. Das erste, was chinesische Polizisten tun, ist, daß sie einen nach Geld oder Wertsachen abtasten und das Gepäck durchsuchen. Sie wissen, daß Flüchtlinge Geld bei sich haben, und der erste, der es findet, kann Anspruch darauf erheben. Erst bei meinem vierten Versuch gelang es mir, Indien zu erreichen“[6].

Festnahmen von Tibetern an der Grenze sind sehr häufig. Davon betroffen davon sind auch viele Tibeter, die in ihre Heimat zurückkehren wollen, nachdem sie eine gewisse Zeit zu Studienzwecken, Pilgerfahrten oder Verwandtenbesuch in Indien verbracht haben. Einer offiziellen chinesischen Aussage zufolge wurden innerhalb von 8 Monaten 2.500 Tibeter bei dem Versuch die Grenze entweder nach oder aus Tibet zu überqueren gefaßt [7]. Während manche nach ein paar Monaten wieder freigelassen werden, gibt es andere Fälle, wo sie zu langen Haftstrafen verurteilt werden.

 

Das Recht auf eine religiöse Überzeugung und deren Ausübung

Die religiöse Freiheit war im ganzen Jahr 2002 ernstlich eingeschränkt, denn Peking setzte seine schon lange betriebene Kampagne fort, mit der es Tibet in eine atheistische Region verwandeln will. Die Tibeter sahen sich bei der Wahrnehmung ihres Rechtes auf Religionsfreiheit weiterhin von den Restriktionen der chinesischen Regierung, von Kontrollen und Unterdrückung bedrängt, während ihre geistlichen Würdenträger und Lehrer verfolgt und eingesperrt wurden.

Kennzeichnend für dieses Jahr war die systematische Verfolgung jeglicher gegenüber dem im Exil lebenden Dalai Lama zum Ausdruck gebrachten oder auch nur stillschweigenden Loyalität: Von den Chinesen wird er als ein „Spalter“ gebrandmarkt, von den Tibetern jedoch als der Inbegriff des Buddhismus verehrt. Die Anwesenheit von „Arbeitsteams“[8], welche die Mönche und Nonnen indoktrinieren, und deren Leitungsgremien, der sogenannten „Demokratischen Verwaltungsräten (DMC),“[9] ist jetzt in den meisten Klöstern in ganz Tibet zu einer ständigen Einrichtung geworden.

Fast 90 % der gegenwärtigen tibetischen politischen Gefangenen sind Mönche und Nonnen. Was die politische Aktivität in Tibet angeht, so steht die Geistlichkeit weiterhin an vorderster Front. Der Verbleib und das Befinden Gedhun Choekyi Nyimas, des vom Dalai Lama anerkannten 11. Panchen Lama, sowie Chadrel Rinpoches, des Leiters der Suchkommission nach der Reinkarnation des Panchen Lama, bleiben weiterhin unbekannt.

China interpretiert die Praxis des Buddhismus als eine Manifestation tief verwurzelter nationalistischer Gefühle. Der unbeirrbare Glaube der Tibeter an ihr spirituelles und weltliches Oberhaupt, den Dalai Lama, wird von Peking als eine Herausforderung seiner Macht und damit eine direkte Bedrohung der Herrschaft der Chinesen über das Hochland angesehen. Überzeugt davon, daß die Religion das der tibetischen Gesellschaft zugrunde liegende Prinzip und damit das Vehikel für den tibetischen Nationalismus ist, hat Peking systematisch versucht, den tibetischen Buddhismus durch eine staatlich kontrollierte Version der Religionsausübung zu ersetzen, die in der chinesischen Propaganda als „normale“, d.h. als patriotische religiöse Praxis bezeichnet wird[10].

In Tibet findet sich Peking mit einer Gesellschaft konfrontiert, die überwiegend von einer nicht-kommunistischen Denkweise geprägt ist, wobei die Klöster der Fokus dieses zentralen Antagonismus zur chinesischen Herrschaft sind[11].

Die politische Strategie der chinesischen Behörden in Tibet besteht weiterhin darin, den religiösen Glauben der Tibeter auszurotten, doch blieb sie über fünf Jahrzehnte ohne Erfolg. Ein anderer Ansatz ist der Versuch, Tibet in eine atheistische Region umzuformen, wo dem tibetischen Volk „die spirituelle Zivilisation der Kommune“ gepredigt wird. Ma Chongying, dem stellvertretenden Direktor des Amtes für Minderheiten und Religiöse Angelegenheiten in Tibet, werden die Worte zugeschrieben: „Wenn jemand nicht patriotisch ist, kann er kein lebender Buddha sein. Das ist ein unabänderliches Prinzip“[12].

Die Religionsfreiheit wird manchmal als das „Herz der Menschenrechte“ bezeichnet. Die Art. 1, 2 und 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UDHR), der Art. 18 des Internationalen Vertrages über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) und die Erklärung über die Beseitigung aller Formen der Intoleranz und Diskriminierung aufgrund von Religion oder Glauben garantieren das Recht auf religiöse Freiheit, auf die freie Wahl der Religion, sowie das Recht eines jeden, seine Religion frei und offen auszuüben.

In einem Xinhua-Artikel vom 9. Juni 2002 heißt es, daß es in China über 13.000 buddhistische Klöster und Tempel mit ungefähr 120.000 „Lamas“ und Nonnen gebe, darunter auch 1.700 „lebende Buddhas“, und in Tibet über 3.000 Klöster und Tempel. Diese Statistik ist einige Jahre lang immer dieselbe geblieben und entspricht natürlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten in Tibet.

In seinem dritten Jahresbericht vom Mai 2002 brachte die US Kommission über internationale religiöse Freiheit ihre Besorgnis über die anhaltenden Verletzungen des Rechtes auf Religionsfreiheit des tibetischen Volkes zum Ausdruck. China konterte, indem es den US Report beschuldigte, an seiner Religionspolitik grundlos Kritik zu üben und sich in grober Weise in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen.

 

Institutionalisierung der Religionskontrolle

1996 lancierte Peking die Kampagne zur patriotischen Erziehung in Tibet, deren erklärtes Ziel es ist, tibetische Mönche und Nonnen in chinesischer kommunistischer Ideologie und in der chinesischen Version der tibetischen Geschichte zu „bilden“. Die schriftliche Verurteilung des Dalai Lama als Separatist, die Ablehnung Gedhun Choekyi Nyimas, des vom Dalai Lama als 11. Panchen Lama auserkorenen Kandidaten, und die Akzeptanz Tibets als eines unveräußerlichen Teils Chinas sind die Schlüsselelemente dieser Kampagne.

Diese Politik wurde 2001 auf dem Vierten Arbeitsforum zu Tibet[13] deutlich, als erklärt wurde: „Die im religiösen Bereich durchgeführte Arbeit der patriotischen Erziehung, der öffentlichen Aufklärung über das Gesetzsystem und die Wiederherstellung der normalen Ordnung in Klöstern und Tempeln hat das soziale Fundament der separatistischen Dalai-Aktivitäten erschüttert und der Dalai-Clique, die sich die Gelegenheit der Reinkarnation des Panchen (chin. Bainqen) zunutze machen wollte, um die Religion zu verwirren und zu ruinieren, einen Strich durch die Rechnung gemacht und das große Ereignis der Reinkarnation des Panchen zur Erfüllung gebracht“.

Um die Kontrolle der Religion in Tibet zu zentralisieren und zu institutionalisieren, wurden die „Democratic Management Committees“ (DMC) (Demokratische Verwaltungsräte) in religiösen Institutionen, Tempeln und anderen spirituellen Stätten eingerichtet. Die eigentliche Aufgabe und die erklärte Pflicht der „Arbeitsteams“ der CCP ist es, denen, die ihre religiöse Praxis „politisch korrekt“ durchführen, das Bleibe- und Studienrecht zu bescheinigen, und „Nonkonformisten“ umzuerziehen oder auszustoßen. Andere in den Klöstern übliche Repressionsinstrumente der Arbeitsteams und DMCs sind die Ausweisung von Personen, die sich weigern, der tibetischen Unabhängigkeit und dem Dalai Lama abzuschwören, die säkulare Kontrolle der Anstalten, die Durchsetzung der offiziellen Obergrenzen für die Anzahl von Mönchen und Nonnen in den jeweiligen Institutionen sowie des Mindestalters von 18 Jahren für die Zulassung von Novizen und die Verhaftung und Mißhandlung praktizierender Buddhisten.

In Tibet hat bei der religiösen Kontrolle ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Arbeitsteams, die zu Indoktrinierungszwecken die Klöster aufsuchen, werden weniger, während die DMCs allmählich die absolute Autorität über die Administration und insgesamt die Führung der religiösen Institutionen gewinnen. Diese in den Klöstern permanent eingerichteten DMCs sind nichts als ein verlängerter Arm des Staates.

Die Religionspolitik, die ja anerkanntermaßen politische Ziele verfolgt, wurde auf höchster Ebene formuliert und zwar von dem Ständigen Ausschuß des Politbüros, während sie von dem United Front Work Department[14] (UFWD), einem Parteiorgan, und dem Amt für Religionsangelegenheiten (Religious Affairs Bureau = RAB), einer staatlichen Institution, in die Praxis umgesetzt wird. Beide Organe, sowohl das UFWD als auch das RAB, haben Nebenstellen bis in die Kommunen, und ihre Leute sitzen auch in den DMCs.

Es war früher in Tibet Tradition, daß ein jeder auch ohne Vorkenntnisse über den Buddhismus um Aufnahme in einem Kloster nachsuchen konnte. Diejenigen, die in sehr jungen Jahren eintraten, hatten eine Menge Zeit, sich mit dem Buddhismus zu beschäftigen und ihn zu praktizieren. Mit dem Mindestalter von 18 Jahren, das Peking jetzt für Novizen und Novizinnen vorschreibt, fand diese Tradition ihr Ende.

Abdelfattah Amor, der UN Sonderberichterstatter über Religion, bekam zu hören, daß Mitglieder der chinesischen Minderheiten von der Altersbeschränkung auf 18 Jahre ausgenommen seien. In seinem Bericht appellierte Amor an China, Gesetze einzuführen, welche Minderjährigen das Recht auf ihre religiöse Überzeugung garantieren[15].

Bei einer Bildungskonferenz, die vor drei Jahren stattfand, erklärte ein führender kommunistischer Parteikader namens Tenzin (chin. Dan Zeng): „Die Parteizentrale (in Peking) verlangt, daß wir in Tibet die Stabilität aufrechterhalten und den Einfluß der Religion schwächen. Dank der patriotischen Erziehung wissen die Mönche nun, was nicht erlaubt und was illegal ist. Daß Mönche Kinder lehren, ist ungesetzlich. Unabhängigkeits-Parolen zu schreien und zu demonstrieren, ist verboten. Jedermann ist für seine eigenen Gesetzesübertretungen verantwortlich. Unsere Aufgabe ist es, uns um die große Mehrheit der [dem Gesetz treuen] Lamas zu kümmern“.

Heutzutage werden tibetischen Mönchen und Nonnen von den in den Klöstern eingerichteten DMCs, sowie den chinesischen Arbeitsteams, die sich vielerorts eingenistet haben, die Grundrechte beschnitten und verweigert: Statt ihren traditionellen buddhistischen Studiengang verfolgen zu können, müssen sie lange Perioden kommunistischer Indoktrinierung über sich ergehen lassen. Die DMCs lassen Bespitzelung und Argwohn gedeihen und vergiften die einstmals integre Atmosphäre der Klöster. Die Mönche und Nonnen atmen jetzt die Luft von Verdächtigung und Bewachung. Diese Situation macht es den heutigen Mönchen und Nonnen unmöglich, das Studium der buddhistischen Philosophie, dem sie ihr Leben widmen möchten, ernsthaft zu betreiben.

Daß die „patriotische Erziehung“ unvermindert weitergeht, beweist ein Fall aus dem Kloster Jadar in Amdo, Nordosttibet, in der heutigen Provinz Qinghai. Das TCHRD erfuhr unter dem Vorbehalt der Anonymität aus zuverlässiger Quelle: „Seit 1998 hat das Kloster Jadar in der Gemeinde Tsekhog in der jetzigen Provinz Qinghai einen aus fünf gewählten Mönchen bestehenden Demokratischen Verwaltungsrat. Die Mitglieder des DMC - darunter ein erster und zweiter Vorsitzender - werden auf fünf Jahre gewählt. Die Hauptverantwortung des DMC ist es, den Prozeß der Neuaufnahmen zu überwachen und spalterische Tätigkeiten im Kloster zu verhindern. Sollte irgend etwas Derartiges vorkommen, so hätten die DMC-Mitglieder die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu tragen“[16].

An alle Mönche wurden 15 Kapitel umfassende Broschüren verteilt, in denen die Bedeutung einer patriotischen Haltung der Nation gegenüber und der Kritik am Dalai Lama gepredigt werden. Die Mönche wurden gezwungen, täglich viele Stunden lang dieses Material zu studieren, so daß für ihre Studien und religiöse Praxis nicht mehr genügend Zeit übrig blieb.

So berichtet ein Mönch aus dem Kloster Yoetri im Distrikt Markham in Südosttibet: „1997 kamen erstmals die Kader eines Arbeitsteams in mein Kloster und blieben drei Monate und 20 Tage. Danach suchten sie das Kloster dreimal monatlich auf und blieben jedes Mal bis zu einer Woche. Ich hatte mir vorgenommen ein guter Dharma-Student zu sein, doch unter der chinesischen Besatzung konnte ich meine Absicht nicht erfüllen. Unsere religiösen Studien wurden fortwährend durch die Übergriffe der chinesischen Arbeitsteams beeinträchtigt, so daß wir keinen inneren Frieden mehr hatten. Schließlich beschloß ich, Tibet zu verlassen“[17].

Zusätzlich zu der regelmäßigen politischen Indoktrinierung – was an und für sich schon einen gewaltigen Eingriff in ihre religiösen Studien bedeutet – werden Mönche und Nonnen ständig auf ihre politische Loyalität hin unter die Lupe genommen. Geistliche, die auch nur irgendwie eine abweichende Meinung deutlich werden lassen, bekommen die Repression empfindlich zu spüren und enden meistens in chinesischen Gefängnissen, wo sie alle möglichen Formen von Mißhandlung und Folter zu gewärtigen haben. Die Jahre im Gefängnis berauben sie der Möglichkeit, ihre Religion kennenzulernen und zu praktizieren. Und nach der Entlassung aus der Haft sind Mönche und Nonnen gesellschaftlich geächtete Individuen, denen die Rückkehr in ihre Klöster verboten ist. Ihr Lebensplan hat damit sein Ende gefunden.

Peking ist mit seiner Strategie, die monastische Gemeinde von „spalterischen Einflüssen“ zu säubern, so erfolgreich, daß einige Klöster heutzutage völlig verlassen sind. Andere wiederum sind infolge der Einschränkungen bei der Anzahl von Mönchen oder Nonnen, dem Bleiberecht und dem Studienplan sehr zusammengeschrumpft.

 

Die Anti-Dalai-Lama Kampagne

Seit der Zeit der Kulturrevolution (1966-1976) hat sich die schriftlich niedergelegte Politik hinsichtlich der Religionsausübung immer wieder gewandelt. In letzter Zeit wurde die Kampagne gegen den Dalai Lama, der ja im Großen und Ganzen die Seele des tibetischen Buddhismus symbolisiert, wieder mehr betont und mit größerer Vehemenz durchgeführt. Eigentlich gehen die Anti-Dalai-Lama Kampagnen auf die späten 50er und die frühen 60er Jahre zurück, so daß die gegenwärtigen Restriktionen nur eine Neuauflage derselben Politik sind - nämlich besonders innerhalb der tibetischen Gemeinde die Persönlichkeit des Dalai Lama zu diskreditieren und seine Autorität zu untergraben.

Seit dem Vierten Arbeitsforums zu Tibet, das 2001 in Peking stattgefunden hat, zieht China noch mehr gegen den Dalai Lama zu Felde. Die „Dalai Clique“ wird unentwegt beschuldigt, Instabilität in der Region zu schaffen. Um ihr Einhalt zu gebieten, hat China die „landesweite Entlarvung und Kritisierung der Verbrechen des Dalai Lama initiiert und das reaktionäre Propagandamaterial der Dalai Clique aufgespürt und konfisziert“.

Tulku Tenzin Delek, ein charismatischer, reinkarnierter Lama, soll Kadern von der Distriktverwaltung einmal direkt ins Gesicht gesagt haben: „Sie erlassen immerzu Verordnungen, die das Aufstellen von Bildern seiner Heiligkeit des Dalai Lama in Klöstern verbieten. Für mich spielt dies aber keine Rolle. Weder vertieft das Zeigen der verbotenen Bilder in der Öffentlichkeit meine Hingabe zu Seiner Heiligkeit, noch mindert das offizielle Verbot dieser Bilder meinen Glauben. Der Dalai Lama ist meine Seele selbst“[18]. Tulku Tenzin Delek wurde inzwischen zum Tode mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verurteilt[19].

Ein weiterer tibetischer Mönch wurde Anfang August 2001 zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er Photos des Dalai Lama verteilt hatte[20]. Und am 18. Oktober 2002 wurden fünf Tibeter aus der Stadt Karze in der heutigen Provinz Sichuan wegen „ernster Verbrechen“ festgenommen - einen Tag, nachdem 400 PLA-Soldaten nach Karze verlegt worden waren. Die Ankunft der PLA-Truppen in Karze und die Festnahmen erfolgten, nachdem die Polizei von Karze beinahe ein Jahr lang nach den Organisatoren einer Reihe von Gebetszeremonien für ein langes Leben des Dalai Lamas gesucht hatte[21].

Die Kampagne zur Denunzierung des Dalai Lama bedeutet für die Mönche und Nonnen ein permanentes Dilemma und einen direkten Konflikt zwischen ihrer religiösen Treue dem Dalai Lama gegenüber und der von ihnen geforderten Loyalität zur Kommunistischen Partei. Dieser Konflikt, im dem es gilt, sich zwischen der Treue zum Dalai Lama und der eingeforderten Loyalität zur KP zu entscheiden und danach auch die Folgen dafür zu tragen, trifft die Geistlichkeit am härtesten. Berichten zufolge stellen Mönche und Nonnen die Hälfte der Flüchtlinge, die jedes Jahr ins Exil entkommen. Fast 90 % davon verlassen ihre Heimat in erster Linie, um eine Audienz beim Dalai Lama zu erhalten und im Exil ungehindert ihr Studium und ihre Praxis des tibetischen Buddhismus fortsetzen zu können.

Einige der jüngsten Zeugnisse von Flüchtlingen erhärten die Vermutung, daß die Demolierungen im Buddhistischen Institut Serthar[22] im Jahre 2001 vor allem eine Vergeltungsaktion für die Treue des Instituts zum Dalai Lama waren. Khenpo Jigme Phuntsok, der Gründer und Großabt des Serthar-Instituts, weigerte sich, den Dalai Lama zu verunglimpfen: Wie er sagte: „Selbst wenn sie eine Pistole auf meinen Kopf richten...“. Und um einen ehemaligen Mönch von Serthar zu zitieren: „Wenn wir uns vom Dalai Lama losgesagt hätten, wäre Serthar nicht von den Chinesen zerstört worden“.

 

Einschränkungen der religiösen Praxis und religiöser Feste

China behauptet, „jeden Tag werden genügend religiöse Aktivitäten unterschiedlichen Umfangs in den Tempeln und Klöstern Tibets durchgeführt“. Öffentliche Religionsausübung, wie zum Beispiel durch Gebete, Niederwerfungen, das Drehen von Gebetsmühlen, die Umrundung heiliger Stätten und die Teilnahme an wenigen Festen, wird in einigen ausgewählten Gegenden erlaubt, um den Anschein religiöser Freiheit in Tibet vorzutäuschen. Doch die Realität, nämlich die zunehmende Einschränkung hergebrachter religiöser Praktiken, insbesondere die Weitergabe religiöser Lehren und die Beachtung der Traditionen, straft alle Beteuerungen der Chinesen Lügen.

Statt die Religion gänzlich zu ächten, versucht Peking den tibetischen Buddhismus für sich nutzbar zu machen, indem es seine wesentlichen Merkmale mit Verboten belegt und ihn durch die sogenannte „normale“ Religion zu ersetzen sucht. Diese hat „patriotisch“ zu sein und wird vom Staat kontrolliert. „Normale“ religiöse Aktivitäten schließen die „Verehrung des Dalai Lama“ aus, aber dafür gibt es die „Liebe zum großen Mutterland“. Chinas Forderung, daß der „Buddhismus mit dem Sozialismus konform gehen muß, und nicht umgekehrt“, bedeutet, daß die chinesische kommunistische Partei bestimmt, was der Buddhismus für die Tibeter zu sein hat. Die Rolle von reinkarnierten Lamas und Gelehrten - den ehemaligen religiösen und gesellschaftlichen Führungspersönlichkeiten - wird damit eliminiert.

Der Art. 251 (früher Art. 147) des Strafgesetzes der PRC stellt explizit fest: „Ernste Fälle, in denen ein Regierungsangestellter unrechtmäßigerweise die Bürger ihres Rechtes auf religiöse Überzeugung beraubt und gegen ethnisches Brauchtum und dessen Praxis vorgeht, (können zu) werden mit  Freiheitsentzug oder einer zweijährigen Gefängnisstrafe (führen) bestraft“. Was die praktische Anwendung dieses Paragraphen betrifft, hörte man jedoch noch nie von einem staatlichen Bediensteten, der festgenommen worden wäre, weil er sich über diese Verfügung hinweggesetzt hat. Kommunistische Parteikader müssen Atheisten sein, doch ein Minister in Peking, der nicht genannt werden möchte, äußerte: „Die Religion wächst immer mehr, aber nicht die Mitgliedschaft in der KP, daher haben die Behörden allen Grund dazu, Angst zu haben“[23].

Während des heiligen Monats Saga Dawa 2002 gab es eine interne Anordnung für tibetische Kader und staatliche Angestellte, die ihnen das Umwandeln heiliger Stätten, das öffentliche Beten und das Anzünden von Butterlampen untersagte. Personen, welche die Vorschrift mißachten, wurde mit Entlassung gedroht.

Einem Flüchtling aus dem Distrikt Sog in Zentraltibet zufolge verboten die chinesischen Behörden im März 2001 eine Kalachakra Initiation[24] im Distrikt Sog. Zwei Tage vor der Zeremonie seien Offizielle mit einem Verbotsschreiben der Zentralregierung in Peking gekommen, in dem stand, daß das Kalachakra Ritual nicht stattfinden dürfe, weil es eine Lehre des Dalai Lamas sei. Ein Mönch versuchte den Behörden zu erklären, daß es sich bei der Kalachakra Initiation um eine Lehre handle, die auf Buddha zurückgeht. Als Strafe dafür, daß er das Verbot der Initiation hinterfragt hatte, wurde er fünf Tage lang festgehalten und mit 200 Yuan Geldstrafe belegt[25].

Es ist nun eindeutig erwiesen, daß Chinas Unterdrückung der Religion zu einer Verminderung der Anzahl gelehrter Geshes[26] und Lamas[27] in Tibet geführt hat. Die Behörden im Distrikt Sog gingen sogar so weit, die Prüfungen für den Geshe Lharampa-Titel zu verbieten[28], womit sie effektiv verhindern, daß Mönche ein qualifiziertes religiöses Studium betreiben. Die Zukunft der buddhistischen Gelehrsamkeit in Tibet ist ernstlich gefährdet.

Die Geshes haben bei der Weitergabe der Religion und der Erhaltung der Kultur eine wichtige Aufgabe. Die traditionelle Rolle des Geshe als Lehrer der Religion ist von größter Bedeutung, besonders jetzt, wo viele einflußreiche Lamas herausgegriffen und schikaniert werden. Andererseits genießen „politisch korrekte“ Lamas „die vollen Rechte religiöser Freiheit“ und haben eher eine Chance, offiziell anerkannt zu werden. Da vielen Lamas die notwendige Registrierung verweigert wird, haben sie keinen freien Zugang zu den Klöstern und können ebensowenig der Laiengemeinde Unterweisungen geben. Auch die Leute in den Dörfern sind von diesen Auflagen betroffen, denn nur registrierte Lamas sind berechtigt, in ländlichen Gegenden zu lehren, und auch dann nur unter Aufsicht der jeweiligen Behörden.

Unter der Kontrolle der Chinesen sind die Klöster nun eher zu kommerziellen Betrieben und lebendigen Museen geworden als Stätten der Anbetung und des religiösen Studiums zu sein. Augenzeugen aus Tibet berichten, welch großer kommerzieller und propagandistischer Wert den religiösen Institutionen inzwischen zukommt und wie die Chinesen es verstehen, sie sich zu Nutze zu machen.

Nach einer Reise durch Tibet 2002 berichteten zwei Touristen dem TCHRD: „Die Chinesen haben einige Klöster und heilige Stätten zu Touristenrummelplätzen und Wirtschaftsbetrieben gemacht, was völlig gegen den Geist des Buddhismus ist. So beträgt beispielsweise das Eintrittsgeld zum Potala, dem früheren Palast des Dalai Lama und dem ehemaligen Sitz der tibetischen Regierung, 70 Yuan (9 US$), und drinnen wird man noch mal zur Kasse gebeten“[29].

Auch Propagandafilme werden in den Klöstern gezeigt. So heißt es in demselben Touristenbericht: „Im Kloster Kumbum zeigen die Chinesen übrigens immer noch einen Propagandafilm voller Lügen, in dem vorgeführt wird, wie glücklich die Tibeter jetzt unter der chinesischen Herrschaft leben. Teilweise war es interessant zu beobachten, wie eine solche Propaganda wirkt, teilweise auch traurig und gar lächerlich. Religion zum Geschäft zu machen, ist solch ein Unding und tut der Reinheit und dem Geist dieses Weges solchen Abbruch! Es ist ein Jammer, daß viele Tibeter sich nun wie die Chinesen benehmen und aus der Religion ein Geschäft machen“[30].

Gerüchte, daß China religiöse Kunstgegenstände von unbezahlbarem Wert - darunter auch eine fünf Meter hohe Bronzestatue von Maitreya[31] - vom Potala Palast nach Shanghai schaffen ließ, erregten bei den buddhistischen Gläubigen Mißfallen. Wurde doch der Potala Palast zum Weltkulturerbe erklärt und dem Schutz der UNESCO[32] unterstellt!

Tsering Dorjee Gashi, Verfasser der 1980 veröffentlichten Abhandlung „Neues Tibet – Memoiren eines Absolventen des Pekinger Instituts der nationalen Minderheiten“ schreibt: „Kunstwerke von unschätzbarem Wert und religiöse Reliquien und Arbeiten, die ein Modell tibetischer künstlerischer Perfektion und Leistung waren, wurden aus dem Potala und anderen Klöstern entfernt. Statuen und Götterbildnisse aus Gold, Silber, Messing, anderen Edelmetallen und mit Edelsteinen besetzt wurden nach China gebracht; letztendlich fanden sie ihren Weg zu den Märkten von Hongkong, Shanghai und Tokio, wo Antiquitätensammler aus dem Westen sie zu exorbitanten Preisen kauften. Der Reingewinn in Devisen, den China aus dem Verkauf tibetischer religiöser Artefakte und Kunstgegenstände machte, beläuft sich grob geschätzt auf über 80 Mrd. US Dollar.“

 

China fürchtet den Einfluß populärer religiöser Führungspersönlichkeiten

In der Folge von Chinas Phobie wegen des vermeintlichen Einflusses des Dalai Lama auf die tibetischen Buddhisten, der ihrer Meinung nach nationalistische Gefühle in ihnen hervorruft, sind in den letzten Jahren populäre religiöse Führer in Tibet Opfer von Verdächtigungen und intensiver Überwachung geworden. Mehrere der führenden Lamas Tibets sahen sich wegen ihrer Loyaltät zum Dalai Lama mit unüberwindbaren Hindernissen konfrontiert und weil sie angeblich „spalterischen Aktivitäten“ nachgehen, durch die chinesischen Behörden verfolgt.

Wie schon erwähnt, wurde Tulku[33] Tenzin Delek, ein angesehener Lama aus dem Distrikt Lithang in der heutigen Provinz Sichuan, 2002 zum Tode mit zweijährigen Aufschub verurteilt. Der Tulku setzte sich mit aller Kraft für die Wiederbelebung und Restaurierung der tibetischen Kultur und Religion ein und engagierte sich aktiv für die soziale Wohlfahrt. Er veranlaßte den Bau von sieben Klöstern, eines Altersheims und einer Waisenschule im Distrikt Nakchuka (chin. Yaijiang Xian) im heutigen Sichuan. Wie es heißt, befürwortete der Tulku auch den vom Dalai Lama ausgewählten Kandidaten für die Nachfolge des Panchen Lama. Die wachsende Popularität des Tulku löste wegen seiner unverhohlenen Loyalität zum Dalai Lama und all seinen zahlreichen Diensten an der Gemeinschaft allmählich bei den Chinesen Bedenken hinsichtlich der „nationalen Stabilität“ aus. Der Tulku wurde zusammen mit seinem Schüler und früheren Gehilfen Lobsang Dhondup der Beteiligung an einer Reihe von Sprengstoffattentaten beschuldigt. Lobsang Dhondup wurde zum sofortigen Tode verurteilt.

Ein Xinhua-Artikel vom 4. Februar 2002 zitierte Pasang (chin. Basang), den Direktor des „TAR Komitees für den Empfang in die Heimat zurückgekehrter Tibeter“: „China begrüßt es, wenn die tibetischen Kompatrioten aus dem Ausland zu der Entwicklung Tibets und ihrer Heimat beitragen. Solche Leute werden wir wegen etwaiger früherer politischer Aktivitäten im Exil nicht zur Rede stellen“.

2002 wiesen die Behörden jedoch einen Antrag der Bewohner des Kreises Dzoge in der heutigen Provinz Sichuan zurück, dem Kirti Rinpoche zu erlauben, von seinem jetzigen Aufenthaltsort im Exil (Dharamsala) aus seine Heimat zu besuchen. Der Kirti Rinpoche wurde als ein eingefleischter „Reaktionär“ bezeichnet und seinem Kloster Taktsang Lhamo Kirti, das die Behörden als den Urheber des Vorschlags zu der Einladung verdächtigten, wurde mit der Schließung gedroht. Die Popularität des Kirti Rinpoche und seine riesige Anhängerschaft riefen bei den Chinesen wieder einmal Nervosität wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ hervor.

Gleich nach der Zurückweisung des Antrages kam die Polizei ins Kloster Kirti und die Mönche wurden einem intensiven patriotischen Erziehungskurs unterworfen. Im Juli 2002 wurde ein geistlicher, vom Kirti Rinpoche verfaßter Text mit der Begründung, er enthalte versteckte abfällige Bemerkungen über die Regierung, verboten. Es wurde eine Verordnung erlassen, alle Exemplare des Textes, der unter den Mönchen und der Lokalbevölkerung schon ziemlich verbreitet war, einzusammeln. Kirti Rinpoche hatte Tibet zuletzt 1985 besucht.

Geshe Sonam Phuntsok, ein geachteter Philosoph und religiöser Lehrer aus dem Distrikt Karze, der eine fünfjährige Strafe im Gefängnis Chuangdong No. 3, Distrikt Ngaba, TAP Ngaba, Sichuan, verbüßt, ist krank. Im März 2001 erklärte das Mittlere Volksgericht von Karze ihn für schuldig - unter anderem, weil er um eine Audienz beim Dalai Lama nachgesucht und illegal religiöse Zeremonien, darunter ein Langlebensgebet für den Dalai Lama in Rongbatsang“[34], durchgeführt hatte.

Berichten vom Juni 2002 zufolge wird Geshe Sonam Phuntsok, der sich ein wenig von seiner Krankheit erholt zu haben scheint, weiterhin dreimal in der Woche Verhören unterzogen. Die Sicherheitsvorkehrungen im Chuangdong Gefängnis sind besonders drastisch. Dem Geshe werden Fragen gestellt wie: „Was ist denn die Grundlage des Buddhismus, daß ihr Tibeter alle so sehr daran hängt? Was sagten Sie Ihren Schülern, als Sie früher religiöse Zeremonien ausführten? Lieben Sie das chinesische Mutterland? Was halten die Tibeter vom Dalai Lama? Was ist Ihre persönliche Meinung über die Lehren des Dalai Lama?“

Das scharfe Durchgreifen gegen das Buddhistische Institut Serthar 2001 erinnert an die Politik der Chinesen von 1949 bis 1979, als sie bestrebt waren, die Religion völlig auszurotten. Khenpo Jigme Phuntsok - ein sehr populärer geistlicher Würdenträger - durfte im November 2002 in das Buddhistische Institut Serthar[35] zurückzukehren, nachdem er ein Jahr lang in Chengdu, der Hauptstadt Sichuans, ohne Verbindung zur Außenwelt festgehalten worden war. Seit seiner Rückkehr wurden die religiösen Belehrungen in dem Institut wieder aufgenommen, jedoch unter strenger Überwachung; außerdem dürfen nur offiziell zugelassene Mönche und Nonnen die Vorträge besuchen.

Über 9.000 Praktizierende beiderlei Geschlechts studierten vor der Verwüstung und der Vertreibung der meisten seiner Bewohner im Frühjahr/Sommer 2001 an dem Serthar-Institut. Darunter fallen auch rund 1.000 chinesische Studenten aus Festland-China und aus anderen asiatischen Ländern. Die in dem Institut stationierten Kader der Distriktverwaltung von Serthar warnen immer wieder über Lautsprecher, daß die Gemeinschaft die offiziell festgesetzte Obergrenze von 1.400 nicht übersteigen dürfe und daß keine neuen Behausungen gebaut werden dürften.

Am 25. Dezember 2002 gab es auf dem Gelände des zerstörten Instituts wegen Aufbauarbeiten einen Streit zwischen der örtlichen Polizei und den Mönchen und Nonnen von Serthar. Ein Polizist soll dabei durch einen Stein verletzt worden sein, woraufhin einige Schüsse abgegeben worden seien. Ob es dabei zu Verletzungen kam, ist immer noch unklar.

Das TCHRD ist tief besorgt über die fortgesetzte Freiheitsberaubung des 13-jährigen Gedhun Choekyi Nyima[36], der elften Wiedergeburt des Panchen Lama von Tibet. Seit Mai 1995 werden Gedhun Choekyi Nyima und seine Eltern an unbekanntem Ort festgehalten, und über ihr Wohlbefinden herrscht Ungewißheit. Keinem Vertreter einer ausländischen Regierung, noch den zuständigen Organisationen, noch irgendwelchen unabhängigen Beobachtern wurde bisher erlaubt, den jungen Gefangenen und seine Familie aufzusuchen.

Im März 2002 traf eine Regierungsdelegation der TAR mit Vertretern des Europa-Parlaments zusammen und erklärte, Gedhun Choekyi Nyima wünsche nicht gestört zu werden. Die TAR Delegation weigerte sich, Fragen hinsichtlich der Photos zu beantworten, die im August 2001 einer polnischen Delegation versprochen worden waren, die zu Besuch in Lhasa war. Am 10. Oktober 2002 verabschiedete das Repräsentantenhaus der USA die „House Resolution No. 410“, in der die Freilassung des jungen, 1995 von den Chinesen verschleppten Panchen Lama gefordert wird[37].

Inzwischen wird der von den Chinesen erkorene Panchen Lama ausgebildet, um die äußerst wichtige Position als Panchen Lama im Kloster Tashi Lhunpo in Shigatse, TAR, anzutreten. China benutzt seinen Panchen Lama als einen Mediensprecher, um zu demonstrieren, daß die Religionsfreiheit in Tibet gewährleistet ist und eingehalten wird. Bei einer religiösen Zeremonie im März 2002 in Peking mahnte der chinesische Panchen Lama alle Buddhisten, „die Interessen des Mutterlandes, der Region und des Volkes zu wahren und die Gesetze zu beachten“[38].

Die Reinkarnation steht im Mittelpunkt der buddhistischen Lehre vom Leben nach dem Tode. Es ist paradox, daß eine atheistische Regierung wie China in so wichtige buddhistische Traditionen wie die Auffindung einer Reinkarnation eingreift. Noch merkwürdiger ist es, wie sehr sich die chinesischen Behörden um die „Sicherheit“ von jemandem wie Gedhun Choekyi Nyima bemühen, den sie „nur für einen gewöhnlichen Jungen“ halten.

Chadrel Rinpoche, der 63jährige frühere Abt des Klosters Tashi Lhunpo und Leiter der Suchkommission zur Identifizierung eines Nachfolgers des 10. Panchen Lama, wurde selbst nachdem seine Entlassung aus dem Gefängnis für 2001 angekündigt wurde, nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Trotz der offiziellen Bestätigung seiner Entlassung nach Vollendung seiner 6-jährigen Haftstrafe[39] herrscht immer noch Unklarheit über seinen Verbleib. Man nimmt an, daß er unter Hausarrest steht.

Mit Pekings Einverständnis hatte Chadrel Rinpoche in privatem Briefwechsel mit dem Dalai Lama gestanden, um den 11. Panchen Lama ausfindig zu machen. Im Mai 1996 - ein Jahr, nachdem der Dalai Lama seine Wahl verkündet hatte - wurde Chadrel Rinpoche all seiner Ämter enthoben, weil er „gegen die Grundprinzipien des Staates verstoßen hatte und die politische Funktion eines Patrioten nicht mehr erfüllte“. Am 24. Mai desselben Jahres verkündete Radio Lhasa, daß durch „diesen Akt alle üblen Elemente aus der CPPCC (Chinese People’s Political Consultative Conference) ausgemerzt worden seien und sie nun ganz sauber sei“.

Präsident Jiang Zemin erklärte in seiner Ansprache an die Arbeitskonferenz über Religion von 1990: „Einige ältere und angesehene Persönlichkeiten des religiösen Sektors verfügen über einen gewissen Einfluß auf die Massen der Gläubigen, weshalb es sehr wichtig ist, daß wir bei der Arbeit mit ihnen alles richtig machen“[40]. Als der politischen Führung in Peking klar wurde, daß es keinen Wert hat, die geistlichen Würdenträger Tibets dafür begeistern zu wollen, für die Sicherung der „nationalen Stabilität“ und „staatlichen Sicherheit“ zu wirken, begann sie statt dessen, sie zu verfolgen.

 

Schlußfolgerungen

Die Logik, mit der sich der Staat in China legitimiert, läßt leider die übliche religiöse Praxis und den Glauben als Bedrohung des Staates erscheinen, da sie eine höhere Wahrheit verkünden. Wenn die Chinesen sich kein neueres Repertoire zur Legitimation ihrer Ansprüche zulegen – eines, das nicht auf dem offiziell anerkannten Wissen um letzte ethische Wahrheiten beruht– müssen wir damit rechnen, daß der allgemeine Volksglaube und die Ausübung der Religion weiterhin als eine potentielle und manchmal auch aktiv gegen den Bestand des Staates gerichtete Gefahr für Stabilität und Ordnung empfunden werden[41].

Heutzutage dienen die Klöster nur als Vorzeigeobjekte und als Beweis für den Anspruch der PRC, sie gewähre in Tibet Religionsfreiheit. Aber eine tiefere Analyse zeigt, daß die spirituelle Praxis durch die staatlichen Regelungen zu kurz kommt. Die religiöse Repression in Tibet wird „gewissenhaft als eine Politik zur Erzielung politischer Zwecke gehandhabt“. Über 50 Jahre lang sieht nun Peking in der Treue der Tibeter zu ihrer Religion und ihren geistlichen Lehrern das Haupthindernis für sein Ziel: der Integrierung Tibets in China.

Die größten Anstrengungen der Chinesen, Herz und Gemüt der Tibeter zu gewinnen, trafen jahrzehntelang auf nichts als hartnäckigen Widerstand und Trotz. In der offiziellen Phraseologie gilt die Religion weiterhin als ein Hindernis zum Aufbau einer „progressiven“ Nation, weshalb die Regierung in Peking auch immer wieder ermahnt wird, dies nicht zu vergessen. Chinas Strategien zur Ausrottung des tibetischen Buddhismus reichten von der faktischen Auslöschung der religiösen Einrichtungen Tibets zwischen 1949 und 1979 bis zu der jetzt betriebenen Kampagne zur „patriotischen Erziehung“ und dem Kreuzzug zur Verunglimpfung des Dalai Lama. Die Religion bleibt der Feind Nr. 1.

 


 

[1] „Drapchi Insassen vereiteln Aufnahme eines chinesischen Propagandafilmes“, Human Rights Update März 2002, S. 6.

[2] AFP, „Released Tibetan prisoner ups pressure on Beijing“, 30 July 2002.

[3] „Ein Folteropfer entkommt nach fünf Jahren Gefängnis in Exil“, Human Rights Update, Dezember 2002, S. 5.

[4] „Drei ehemalige politische Gefangene aus Tibet berichten“, Human Rights Update, Okt. 2002, S. 2.

[5] Amnesty International, „Strike hard“ Anti-Crime Campaign Intensifies“, 24 July 2002.

[6]Flucht nach Indien beim vierten Versuch gelungen“, Human Rights Update, Mai 2002, S. 4.

[7] TIN News Update: „Weniger Flüchtlinge wegen verschärfter Grenzkontrolle durch China und Nepal“, 2. Jan. 2002.

[8] Chin. gongzuo dui, tib. las dun rukhag – temporäre Einheiten chinesisch-kommunistischer Parteikader, die speziell ausgebildet werden, um Untersuchungen und politischen Unterricht durchzuführen.

[9] „Democratic Management Committees“ sind Verwaltungsorgane, die seit 1962 in den Klöstern Tibets eingerichtet wurden, um an Stelle der traditionellen Autorität der religiösen Hierarchie zu treten. Die Rolle der DMCs wird in dem Kapitel „Institutionalisierung der Kontrolle über die Religion“ weiter ausgeführt.

[10] „China’s Tibet“ The World’s Largest Remaining Colony“, Bericht einer Erkundungsmission und Analyse des Kolonialismus und der chinesischen Herrschaft in Tibet, „Unrepresented Nations and People’s Organisation“ (UNPO) in Zusammenarbeit mit der Tibet Support Group Nederland und International Campaign for Tibet, S. 66.

[11] John Gittings, „Cultural Clash in the land on the roof of the world“, The Guardian, 8 Feb 2002. Gittings ist einer der wenigen westlichen Journalisten, die in den letzten Jahren Lhasa besuchen durften.

[12] „All Living Buddhas have to be patriotic“, New York Times, 9 November 1998.

[13] Das Vierte Arbeitsforum zu Tibet wurde vom 25. bis 27. Juni 2001 in Peking von dem Zentralkomitee der Partei und dem Staatsrat abgehalten, um Chinas Strategien zur Beherrschung Tibets zu formulieren.

[14] Ein Pekinger Ministerium mit Partei- und bürokratischen Funktionen.

[15] Abdelfattah Amor, UN Sonderberichterstatter für Religion, „Bericht über Chinabesuch“, Genf 1995.

[16] „Religiöse Restriktionen im Kloster Gaden Tashi Choeling“, Human Rights Update, Juni 2002.

[17] „Arbeitsteam im Kloster Yoetri“, Human Rights Update, August 2002.

[18] „Angesehener tibetischer Lama und Wohltäter der Gesellschaft festgenommen“, Human Rights Update, April 2002.

[19] Zu neueren Informationen bezüglich dieses Urteils, siehe Kapitel über bürgerliche und politische Rechte.

[20]Fotos des Dalai Lamas verteilt: vier Jahre Gefängnis“, Human Rights Update, Sept. 2002.

[21] „Fünf Tibeter wegen Gebetszeremonien für den Dalai Lama festgenommen“, International Campaign for Tibet, 6 Nov 2002.

[22] 1980 gegründet, war dies das führende konfessions-ungebundene Zentrum buddhistischer Gelehrsamkeit und Ausübung auf dem tibetischen Hochland. Im Frühjahr/Sommer 2001 riß chinesisches Sicherheitspersonal über 4.000 Behausungen von Nonnen in Serthar nieder.

[23] „China cracks down on growing faiths“, Boston Globe, 2 Mar 2002.

[24] Hohe tantrische Initiation des tibetischen Buddhismus.

[25] TCHRD Interview 2002.

[26] Ein Mönch oder Lama, der den höchsten Studiengang in Metaphysik und anderen monastischen Fächern der Gelugpa Schule durchlaufen hat, ähnlich einem Doktor der Theologie.

[27] Ein tibetischer Begriff für einen angesehenen religiösen Lehrer, gleichbedeutend mit dem Sanskrit Terminus Guru.

[28] Traditionell wird der Titel eines Geshe Lharampa (einem Doktor der Philosophie äquivalent) auf eine Prüfung hin verliehen, nachdem der Kandidat 18 Jahre lang ein rigoroses Studium der buddhistischen Philosophie durchlaufen und sich der Praxis gewidmet hat.

[29] „Ein Reisebericht aus Tibet“, Human Rights Update, Juli 2002.

[30] Ibid.

[31] Der Buddha der Zukunft.

[32] „China raubt wieder den Potala aus, Tibeter appellieren an die Welt, China daran zu hindern, Tibet seinen religiösen Reichtum wegzunehmen“, Department of Information and International Relations, Press Release, 21 April 2001.

[33] Tulku ist ein tibetischer Ehrentitel für einen reinkarnierten Lama.

[34] „Geshe Phuntsoks fortgesetzte Inhaftierung gibt Anlaß zur Sorge“, Human Rights Update, Juni 2002.

[35] Dieses konfessionsübergreifende Institut wurde von den Behörden wegen „Unterstützung der Dalai Clique“, „Beherbergung anti-chinesischer Elmente“, sowie in „Ermanglung eines offiziellen Status“ verfolgt. Der Khenpo (= Abt) wurde an einem unbekanntem Orte in Gewahrsam gehalten und trotz seiner gebrechlichen Gesundheit wurde ihm lange Zeit keine ärztliche Behandlung zuteil.

[36] Am 14. Mai 1995 erkannte der Dalai Lama Gedhun Choekyi Nyima als die Reinkarnation des 10. Panchen Lama an. Drei Tage später verschwand der Knabe sowie seine Familie. Die chinesische Regierung ernannte ihren eigenen Panchen Lama, einen Knaben namens Gyaltsen Norbu, und erklärte die Verkündigung des Dalai Lama für nichtig und illegal. Traditionell wählt nur der Dalai Lama den nächsten Panchen Lama aus.

[37] Im US Congress, der sich schon immer nachdrücklich zu Tibet äußerte, ist die H.Res. 410 die jüngste einer Reihe von verabschiedeten Maßnahmen, darunter der Tibetan Policy Act 2002 (Titel VI of HR:.1646), ein Gesetz, das am 30. September rechtskräftig wurde. Auch im Senat wurde eine Panchen Lama Resolution verabschiedet, die Senate Resolution 252.

[38] „11th Panchen Lama Holds Buddhist Gathering in Beijing“, CPI News, at http://english.cri.com.cn/english/2002/march/54354.htm.

[39] Nach zweijähriger Inhaftierung ohne Verbindung zur Außenwelt wurde Chadrel Rinpoche am 21. April 1997 wegen „Verschwörung zur Spaltung des Landes“ und Weitergabe von „Staatsgeheimnissen“ zu sechs Jahren Gefängnis und weiteren drei Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt.

[40] Siehe offizielle Zusammenfassung der Rede von Präsident Jiang Zemin vor der Arbeitskonferenz über Religion von 1990, Xinhua, 8 Dez. 1990.

[41] “State Legitimation in China: The Challenge of Popular Religion”, Vivienne Shue, Cornell University. Paper prepared for the 2001 annual meeting of the American Political Science Association, San Francisco.

 

 

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