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Reinhold Messner

Reinhold Messner

Ich zeige Flagge für Tibet..."weil ich mich für kulturelle und religiöse Eigenständigkeit der Tibeter einsetze - seit 30 Jahren." mehr Prominente hier:

 

Menschenrechtsbericht  des TCHRD 2004

hier ausführlich als pdf Datei

Kurzfassung

Wir senden die Übersetzung der "executive summary" des Jahresberichts des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy über Menschenrechtsverletzungen in Tibet 2004. Dieser Report steht auf der Website des TCHRD zur Verfügung, entweder in html http://www.tchrd.org/publications/annual_reports/2004/   oder in pdf
http://www.tchrd.org/publications/annual_reports/
Eine Übertragung ins Deutsche wird noch viele Monate in Anspruch nehmen.


Vorwort zum Jahresbericht über die Menschenrechtslage in Tibet 2004
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Menschenrechte stehen allen Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zum Menschengeschlecht zu. Daher brauchen sie nicht von einem Staat verliehen werden noch kann sie ihnen ein Staat entziehen. Jeder Mensch hat Anspruch auf diese Rechte und sie sollten auch von jedermann anerkannt werden. Die Internationale Menschenrechtskonvention und deren Normen garantieren sie jedem Menschen.
Für die Tibeter in Tibet trifft dies allerdings nicht zu. Ihren grundlegenden Freiheitsrechten, wie sie sowohl in der chinesischen Verfassung als auch in diversen nationalen Gesetzen festgeschrieben sind, sind enge Grenzen gesetzt. Wer diese überschreitet, hat mit ernsten Konsequenzen wie Gefängnis oder gar noch Schlimmerem zu rechnen.

Die Tibeter in Tibet haben keine Rechte und keine Freiheit. Ja, das Volk ist sehr frei, frei unter ungesunden Lebensbedingungen und in der Arbeitslosigkeit zu leben! Die Tibeter sind frei, jeder Art von wirtschaftlicher Tätigkeit nachzugehen. Die lukrativen Verdienstmöglichkeiten, die sich den Tibetern in den größeren Städten bieten, lassen sich nur schwer ignorieren. Leider nehmen durch das in Lhasa und anderen urbanen Gegenden reichlich fließende Bargeld auch viele Tibeter üble Gewohnheiten an wie Rauchen, Trinken, Spielen, Drogenkonsum und geben ihr Geld in Karaoke-Bars aus.

Die Chinesen sehen in den Tibetern und anderen nicht han-chinesischen ethnischen Volksgruppen Barbaren und eine Bedrohung für die territoriale Integrität ihres Landes. Die Tibeter sind in ihrer eigenen Heimat zu Opfern dieser tief sitzenden Vorurteile geworden. Die raffiniert ausgeklügelte und seit 45 Jahren betriebene Politik der Verweigerung von grundlegenden Rechten, Freiheiten und Gerechtigkeit hat in Tibet zum kulturellen Genozid geführt.

Die Überwachung der Einhaltung und der Schutz von Menschenrechten (durch die internationale Gemeinschaft) stellen für ein Regierungssystem, das sich bisher praktisch der Straflosigkeit erfreute, einen ungewohnten Angriff dar. Wer die Politik der Regierung hinterfragt, muß mit einschneidenden Konsequenzen rechnen. Darüber hinaus ist es infolge der Geheimhaltungspolitik der Regierung und dem Fehlen jeglicher Transparenz extrem schwierig geworden, Informationen aus den sogenannten ethnischen Minderheitsgebieten Tibet und Xinjiang zu bekommen.

Am meisten Anlaß zu Besorgnis gibt jedoch die wahllose Verurteilung zur Todesstrafe. Trotz der Zusätze zu dem Strafverfahrensgesetz von 1996 werden sowohl das Prinzip der Unschuldsvermutung wie auch das Recht auf Vertretung durch einen Anwalt eigener Wahl weiterhin mißachtet - vielen unschuldigen Menschen wird auf diese Weise ein fairer Prozeß vorenthalten. Des weiteren läßt die ständige Einmischung der Behörden in juristische Verfahren stark an der Unabhängigkeit der Justiz zweifeln. Chinas scharfes Vorgehen gegen jede Art von Dissens unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terror verletzt die Menschenrechte in gröbster Weise. "Staatssicherheit" ist ein Begriff, den die Regierung ständig bemüht, um Informationen zurückzuhalten, was den Schutz der Menschenrechte erheblich erschwert. Ein aktueller Fall hierzu ist der von Tulku Tenzin Delek.

Der Zeitpunkt, der von China für die Veröffentlichung des Weißbuchs "Fortschritte in Menschenrechtsfragen" gewählt wurde, nämlich am 30. März 2004 während der 60. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission (UNHCR) in Genf, war gewiß nicht zufällig. Pekings in derartigen Angelegenheiten an den Tag gelegte neue diplomatische Raffinesse ist nichts Neues für die internationale Gemeinschaft. Das eilig herausgegebene Weißbuch war eher eine Erwiderung auf die US-Resolution zur Menschenrechtslage in China, welche die Vereinigten Staaten bei der UNHCR eingebracht hatten, als eine genuine Darstellung von Fakten. Letzten Endes wurde das Weißbuch von Menschenrechtsgruppen in erster Linie wegen seiner propagandistischen Phrasendrescherei heftig kritisiert. In dem am 23. Mai 2004 veröffentlichten sechsten chinesischen Weißbuch zu Tibet "Regionale ethnische Autonomie in Tibet" wurden die nämlichen Phrasen gedroschen und ansonsten nichts Neues geboten. Der Kommentar der tibetischen Regierung-im-Exil zu dem Papier, in dem sie eine Erwiderung auf den Vorschlag des Dalai Lama bezüglich "echter Autonomie" für Tibet sah, lautete: "Das Weißbuch kann über die wahren und traurigen Zustände in Tibet nicht hinwegtäuschen."

Im September waren die Emissäre des Dalai Lama zum dritten Mal in Peking zu Gast, was den Eindruck einer Fortführung der Verhandlungen zwischen Tibetern und der chinesischen Regierung erweckte. Letztere hat aber nicht etwa aufgehört, den Dalai Lama in seiner internationalen Reisetätigkeit zu behindern. Jahrelang konnte Peking durch Ausübung entsprechenden Drucks den Besuch des Dalai Lama in Rußland verhindern, bis dieser schließlich im September 2004 endlich stattfand. Japans Ankündigung, im April 2005 einen Besuch des tibetischen Oberhaupts zu gestatten, führte zu scharfen Protesten aus dem Chinesischen Außenministerium.

Die Menschenrechtslage in Tibet hat sich auch 2004 nicht gebessert. Es gab keine Lockerung der vielen unpopulären Überwachungsmaßnahmen, und die daraus resultierende Atmosphäre der Angst hält unverändert an. Die Wiederaufnahme der "Kampagne des harten Zuschlagens", die mit neuem Nachdruck durchgeführte "Kampagne zur patriotischen Umerziehung" und die Errichtung eines Lagers für Umerziehung-durch-Arbeit im Distrikt Ngari in der Autonomen Region Tibet (TAR), durch welches der Flüchtlingsstrom eingedämmt werden soll, sind klare Anzeichen für die anhaltende Unterdrückung des tibetischen Volkes. Nach den Aufzeichnungen des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) sitzen mindestens 150 namentlich bekannte politische Gefangene in den verschiedenen Haftanstalten in Tibet ein (Stand Dezember 2004).

Die Ankündigung der chinesischen Regierung vom 30. November 2004, daß am 1. März 2005 die neue "Verordnung über religiöse Angelegenheiten" in Kraft träte, welche für alle in China vertretenen Glaubensrichtungen gültig ist, erfüllt die in Tibet lebenden Tibeter mit den schlimmsten Vorahnungen. Das TCHRD sieht in dieser Verordnung ein weiteres von dem atheistischen Regime geschaffenes Instrument zur Kontrolle. Diese Verordnung, die erlassen wurde, um "mit der rapiden sozio-ökonomischen Entwicklung Schritt zu halten", wird nach ihrem Inkrafttreten zur Schließung etlicher kleinerer Klöster in Tibet führen. Für alle Tibeter ist Religion ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, und derartige Einschränkungen sind ein heftiger Eingriff in das ihnen sogar durch die chinesische Verfassung verbürgten Rechtes auf Religionsfreiheit. Tibeter, die ihrer  Verbundenheit mit dem Dalai Lama als ihrem spirituellen und weltlichen Oberhaupt Ausdruck verleihen, werden nach wie vor ins Gefängnis geworfen. Die atheistische chinesische Führung mißtraut allen, deren Loyalität nicht ihr allein gilt und ganz besonders denjenigen, die der Religion einen höheren Stellenwert einräumen. 
Für die Kommunistische Partei Chinas hat die soziale Ordnung Vorrang vor allen anderen Zielen. Und vor nichts hat sie mehr Angst als vor Unruhen. Die religiösen und ethnischen Spannungen sind sehr groß. Die Zusammenstöße zwischen Hui-Moslems und han-chinesischen Dorfbewohnern in der Provinz Henan, bei denen im November 2004 mindestens sieben Personen starben, trugen zu der zuvor schon explosiven Mischung aus wirtschaftlicher und sozialer Unzufriedenheit bei. An ihnen wird deutlich, welches Potential an chaotischen und  auseinanderstrebenden Kräften unter der Oberfläche von Chinas unaufhaltsamem wirtschaftlichem Aufstieg besteht. Konflikte dieser Art sind auch in Tibet nicht auszuschließen, wenn man sich vor Augen führt, wie die Tibeter in allen Lebensbereichen diskriminiert werden.

Angesichts des explosionsartigen wirtschaftlichen Wachstums sind Veränderungen in China trotz der spezifisch chinesischen Charaktereigenschaften unvermeidlich. Im März 2004 wurde das Wort "Menschenrechte", das in China jahrelang tabu war, in die Verfassung aufgenommen - fast ein historisches Ereignis. Die offiziellen staatlichen Medien begrüßten dies überschwenglich als "das erste Mal überhaupt". Allerdings wurde dem Begriff keine weitere Erläuterung beigefügt, so daß viel Raum für seine Interpretation bleibt. Er stellt allerdings die Ernsthaftigkeit von Chinas Anstrengungen in Richtung einer offeneren und demokratischeren Gesellschaft weiterhin in Frage.
Heute, wo China sich seiner Stellung in der Welt immer sicherer wird, sollte sich die übrige Welt darüber im klaren sein, daß China, obwohl es vielleicht ein in der Entwicklung befindliches Land ist, ein sehr bestimmendes Land ist. Dort ist immer noch ein Regime an der Macht, das keine Opposition duldet und brutal gegen Andersdenkende vorgeht. Es ist eines der wenigen heute noch verbliebenen Länder, das keine freien Wahlen mit mehreren Kandidaten kennt, und in dem man ein Leben unter Hausarrest oder Schlimmeres zu befürchten hat, wenn man das Falsche sagt. Chinas Aufstieg geht bedächtig und ruhig vonstatten, aber ob dieses Wachstum eine Wende zum Besseren bringen wird, bleibt offen.

Die Regierungen rund um den Erdball haben die Pflicht, dafür zu sorgen, daß der wachsende Riese mit Achtung gegenüber Menschenrechten und Demokratie aufwächst. Und dies kann nur durch die vereinten Bemühungen der führenden Politiker dieser Welt erreicht werden.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
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China hat schon immer den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten mehr Bedeutung zugemessen als den bürgerlichen und politischen. Bezeichnend ist, daß China zwar das Internationale Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) ratifiziert hat, nicht jedoch das Internationale Abkommen über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR). Auf Grund der Ratifizierung des ICECSR ist China nunmehr verpflichtet, sich an die in diesem Abkommen vereinbarten Prinzipien zu halten.

In Artikel 2 (2) des ICESCR heißt es:
"Die Vertragsstaaten verpflichten sich, zu gewährleisten, daß die in diesem Pakt verkündeten Rechte ohne Diskriminierung hinsichtlich der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status ausgeübt werden."

Im Jahr 2003 erklärte die chinesische Regierung in Bezug auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte: "Getreu ihrem Prinzip, ,das Volk zuerst', hat die chinesische Regierung weitere Bemühungen zur umfassenden Entwicklung der städtischen und ländlichen Regionen, sowie der Wirtschaft und Gesellschaft allgemein unternommen, um auf diese Weise die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte des Volkes zu fördern."

Trotz der Behauptung der chinesischen Regierung, das Volk über alles andere zu stellen, weisen die Beobachtungen des TCHRD, denen Nachforschungen und Informationen aus Tibet zugrunde liegen, auf das Gegenteil hin. Das TCHRD meint, daß die Auswirkungen des Abkommens daran gemessen werden sollten, ob und inwieweit Einzelpersonen oder Volksgruppen wie etwa die Tibeter tatsächlich in den Genuß der durch das Abkommen garantierten Rechte kommen und ihre Meinung ohne Furcht vor Repressionen frei äußern können.

Die Verweigerung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte wie etwa des Rechts auf Unterricht in der eigenen Muttersprache, ebenso wie eine Entwicklungspolitik, die mit Zwangsumsiedlungen einhergeht, zieht oft ganze Bevölkerungsgruppen in Mitleidenschaft. Menschenrechte sind erst dann wirklich umgesetzt, wenn sich die Menschen, um deren Rechte es geht, dieser nicht nur bewußt sind, sondern auch in der Lage, sie einzufordern und zu verteidigen. Es ist natürlich einzusehen, daß dem Appell, etwas zur Verteidigung wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Rechte zu tun, eher Beachtung geschenkt wird, wenn die betroffenen Einzelpersonen oder Volksgruppen eine Verbindung zwischen der Verweigerung ihrer Rechte und ihrer benachteiligten Existenz und dann einen Rückbezug zu der grundlegenden und rechtlich verbindlichen Pflicht der Regierung herstellen, diese Rechte zu respektieren, zu schützen und umzusetzen.

Angeblich soll die Politik der chinesischen Regierung in Tibet dem Nutzen der einheimischen Bevölkerung dienen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Man muß sich ernsthafte Sorge machen, ob die Tibeter als ein Volk fortbestehen können. Obwohl in Tibet durchaus die Entwicklung vorangetrieben wird und auch einige Erfolge zu verzeichnen sind, verhindert die vorrangige politische Bedeutung, die wirtschaftlichem Wachstum und Fortschritt beigemessen wird, daß irgend etwas von den Wohltaten des Fortschritts bei dem tibetischen Volk ankommt.

Überdies vernachlässigen ausländische Regierungen und multinationale Konzerne in ihrem hektischen Eifer, in Entwicklungsprojekte in Tibet zu investieren, weitestgehend die Bedürfnisse und Interessen der dort lebenden Bevölkerung. Dieser Umstand trägt wesentlich dazu bei, daß der Lebensstandard der Tibeter nicht zu- sondern eher abnimmt.

Bürgerliche und politische Rechte
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China hat das Internationale Abkommen über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) am 5. Oktober 1998 zwar unterzeichnet, es aber noch nicht ratifiziert - mit der Begründung, für ein in der Entwicklung begriffenes Land wie es selbst seien die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte des Volkes wichtiger als die bürgerlichen und politischen. Somit ratifizierte China lediglich das Internationale Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR).

Die Tatsache, daß Peking den ICCPR nicht ratifiziert hat, befreit es jedoch nicht von der Pflicht, die verfassungsmäßigen Rechte seiner Staatsbürger zu garantieren. China ist ebenso verpflichtet, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UDHR) niedergelegten Prinzipien zu achten und einzuhalten. In der Präambel zum ICCPR heißt es eindeutig:

"In der Erkenntnis, daß nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Ideal vom freien Menschen, der bürgerliche und politische Freiheit genießt und frei von Furcht und Not lebt, nur verwirklicht werden kann, wenn Verhältnisse geschaffen werden, in denen jeder seine bürgerlichen und politischen Rechte ebenso wie seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte genießen kann.".
China nützt alle ihm zur Verfügung stehenden diplomatischen Mittel, um eine Beobachtung und Prüfung der Menschenrechtslage im Land zu blockieren. In der Menschenrechtsfrage gibt China bilateralen Gesprächen den Vorzug gegenüber multilateralen, weil es einfacher ist, Druck auf ein einzelnes Land auszuüben, als auf viele gleichzeitig. Während der China-EU Beratungen zur Ratifizierung des ICCPR, die im Juni 2004 stattfanden, versprachen die Vertreter Chinas, sich ernsthaft mit dem Abkommen zu beschäftigen und die Bedingungen für dessen baldige Ratifizierung zu schaffen.

Allerdings decken sich die chinesischen Versprechungen nicht mit dem, was in der Praxis geschieht. 2004 wurde die Meinungs- und Redefreiheit in China massiv unterdrückt. Ein deutliches Beispiel für das Ausmaß der von den chinesischen Behörden ausgeübten Kontrolle der Redefreiheit bietet der Fall der tibetischen Schriftstellerin Woeser, die wegen ihrer Verbundenheit mit dem Dalai Lama und der tibetischen Religion verfolgt wird. Ebenso weist die Festnahme von drei chinesischen Intellektuellen, die kein Blatt vor den Mund nahmen, im Dezember und ihre kurz darauf erfolgte Freilassung, auf das Ausmaß der von Peking gestarteten Kampagne hin, um die Intellektuellen im Lande zum Schweigen zu bringen.

Dem TCHRD wurden 2004 einundzwanzig Fälle von Verhaftungen wegen des Verdachts auf Aktivitäten, in welchen die Regierung eine "Gefährdung der Staatssicherheit" wittert, bekannt - also Aktivitäten, bei denen Freiheit für Tibet gefordert oder auch nur Verehrung für den Dalai Lama ausgedrückt wurde. Des weiteren liegen dem TCHRD Informationen über mindestens 20 Verhaftungen von Tibetern vor, die vor 2004 erfolgten. Nach den Unterlagen des TCHRD beträgt die Anzahl der ihm bekannten politischen Gefangenen 145 Personen (Stand Dezember 2004). Die Neuauflage der "Kampagne des harten Durchgreifens" in der Autonomen Region Tibet (TAR) und die Weiterführung und Intensivierung der "Kampagne zur patriotischen Umerziehung" in den Klöstern sind klare Anzeichen dafür, daß sich die staatliche Kontrolle in Tibet verstärkt hat.

Übersetzung: Irina Raba, Adelheid Dönges, Angelika Mensching
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* Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
* Arbeitsgruppe München
* Spendenmöglichkeit: IGFM München,
* Kto 1583 93-803, Postbank München, BLZ 700 100 80
* IBAN DE7170010080158393803 - BIC PBNKDEFF
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Die Menschenrechtssituation in Tibet: Jahresbericht 2004
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Das TCHRD veröffentlichte dieser Tage seinen neuesten Jahresbericht "Die
Menschenrechtssituation in Tibet 2004", der sich eingehend mit der aktuellen
Menschenrechtslage in Tibet befaßt. Für den Inhalt wurden die Ergebnisse
unabhängiger Nachforschungen sowie die Aussagen neu in der Exilgemeinschaft
eingetroffener Flüchtlinge verwendet. Der diesjährige Bericht konzentriert
sich auf die anhaltende Verletzung der Rechte der Tibeter auf Entwicklung und
Bildung, der bürgerlichen und politischen Rechte, sowie des Recht auf
Information und Religionsfreiheit.

Im Jahr 2004 wurden einige prominente politische Gefangene aus chinesischen
Gefängnissen entlassen. Dessen ungeachtet wurden dem TCHRD einundzwanzig Fälle
von Verhaftungen wegen des Verdachts auf Aktivitäten, welche in den Augen der
chinesischen Regierung "die Staatssicherheit gefährden", bekannt - Aktivitäten
etwa, bei denen Freiheit für Tibet gefordert oder einfach nur Verehrung für
den Dalai Lama zum Ausdruck gebracht wurde. 2004 saßen den Aufzeichnungen des
TCHRD zufolge 146 Tibeter in den verschiedenen über Tibet verteilten
chinesischen Haftanstalten ein. 55 von diesen verbüßen Haftstrafen von 10
Jahren und mehr. 63% der politischen Gefangenen, über die man etwas weiß, sind
Mönche und Nonnen. Das TCHRD ist der Überzeugung, daß es noch viel mehr
unbestätigte Fälle gibt, die Dunkelziffer also wesentlich höher liegt.

Das Recht auf ausgewogene und freie Information bleibt in Tibet weiterhin
eingeschränkt - wettgemacht werden soll es durch die vom Staat propagierte
Information! Die Regierung greift in den freien Austausch und die Verbreitung
von Nachrichten und den Zugang zu Informationen ein, die der Öffentlichkeit
frei zur Verfügung stehen sollten.

Der Stand der Religionsfreiheit in Tibet gibt im Jahr 2004 weiterhin Anlaß zu
schwerer Besorgnis; die Unterdrückung der Religion beeinträchtigt die Ausübung
des Buddhismus auf vielen Ebenen. Buddhistische Geistliche sind in Tibet nach
wie vor Verfolgung, Schikanen und Einschüchterungsversuchen durch die
chinesischen Behörden ausgesetzt. Die "patriotische Umerziehungskampagne",
mittels derer Mönche und Nonnen zwangsweise mit der Staatsideologie
indoktriniert werden, wurde fortgesetzt.

Im vergangenen Jahr wurde auch der Grad des Geshe Lharampa wieder eingeführt,
nachdem er 15 Jahre lang verboten gewesen war. Die Zulassung wurde allerdings
an die Bedingung geknüpft, daß alle Bewerber um diesen Grad (bei dem es sich
um den höchsten handelt, der durch das Studium der buddhistischen Lehre
erworben werden kann) sechs Bücher über politische Ideologie kennen und
darüber eine Prüfung ablegen müssen. Auf diese Weise wird die Tradition dieses
Titels untergraben.

Die chinesische Regierung versucht beständig, durch die Behauptung, die
Tibeter hätten von den Entwicklungsprogrammen Pekings profitiert, jegliche
Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik zu entkräften. Die Resultate unserer
Nachforschungen und der Interviews mit geflohenen Tibetern sprechen aber eine
andere Sprache. Den Tibetern werden systematisch das Recht und die Gelegenheit
verweigert, ihre Meinung zu äußern oder an der Entwicklung Tibets mitzuwirken.
Die massive Zuwanderung von Han-Chinesen verursacht den Tibetern weiterhin
Probleme beim Erwerb ihres Lebensunterhalts. Statt daß sie die Nutznießer der
chinesischen Entwicklungsprogramme wären, wird die Mehrheit der Tibeter in
allen Bereichen weiterhin marginalisiert und diskriminiert.

Das Recht des tibetischen Volkes auf Bildung wird auch künftig zugunsten eines
vom Staat bestimmten Lehrplans, der in erster Linie dazu dient, den Schülern
Loyalität gegenüber China und dem Sozialismus beizubringen, nicht beachtet.
Seitens der Regierung sind im vergangenen Jahr keinerlei greifbare Maßnahmen
im Hinblick auf die Erhaltung der tibetischen historischen, kulturellen oder
sprachlichen Identität unternommen worden. Die vorherrschende
Unterrichtssprache ist weiterhin Chinesisch, und in dieser Sprache wird den
Schülern auch die chinesische Version der Geschichte eingetrichtert und von
ihnen verlangt, den Dalai Lama zu verunglimpfen.

Ein positives Signal ist die am 14. März 2004 durch den 10. Chinesischen
Nationalen Volkskongreß verabschiedete Aufnahme des Zusatzes über die
Menschenrechte in die Verfassung. In Artikel 33 der Chinesischen Verfassung
steht jetzt: "Der Staat achtet und schützt die Menschenrechte." Dieser
Verfassungszusatz wurde als ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der
Menschenrechte in China gewertet - allerdings sollte die chinesische Regierung
nun auch tatsächlich Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte ergreifen.

Das TCHRD bittet die internationale Gemeinschaft, den Druck auf China auch
weiterhin aufrechtzuerhalten, damit dem eigenen Volk die Menschenrechte nicht
länger verweigert werden und die internationalen Menschenrechtsvereinbarungen,
die von der VR China unterzeichnet oder ratifiziert wurden, beachtet werden.

Des weiteren ruft das TCHRD die chinesische Regierung zur Freilassung aller
willkürlich inhaftierten Gefangenen auf, also derjenigen, die aus politischen
Gründen im Gefängnis sind, weil sie ihr Recht auf Rede-, Meinungs- und
Glaubensfreiheit wahrgenommen haben, sowie zur Veränderung ihrer
Rechtsprechung, damit ein fairer und rechtmäßiger Gerichtsprozeß gewährleistet
ist. Es ist nicht damit getan, daß China internationale Menschenrechtskodizes
ratifiziert oder sich mit schönen Worten zur Achtung der Menschenrechte
verpflichtet - die Menschen in China müssen nun endlich konkrete
Verbesserungen sehen und sich davon überzeugen können, daß tatkräftige
Schritte zur Achtung und Weiterentwicklung ihrer Menschenrechte unternommen
werden.

Übersetzung: Irina Raba, Adelheid Dönges, Angelika Mensching
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* Internationale Gesellschaft fur Menschenrechte (IGFM)
* Arbeitsgruppe München
 

 

Der ausführliche Original-Report steht auf der Website
des TCHRD zur Verfügung, http://www.tchrd.org/publications/annual_reports/

Eine Übertragung ins Deutsche wird sukzessive im Laufe des Jahres erfolgen.
 

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