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Jahresberichts 2003:
Die Menschenrechtslage in Tibet

Die vollständige Übersetzung des vom TCHRD herausgegebenen Jahresberichts
über Menschenrechtsverletzungen in Tibet 2003 mit den Kapiteln
Zusammenfassung, Bürgerliche Rechte, Religion, Entwicklung, Lebensunterhalt
und Bildung
steht jetzt  hier zur Verfügung
und im pdf-Format (400 KB, 75 Seiten) zum Download oder Ausdrucken unter
http://www.igfm-muenchen.de/tibet/Reports/Jahresbericht2003/JahresberichtTCHRD2003.pdf

Auf Wunsch können wir die Datei auch in rtf. (572 KB) als Anlage zu einem
e-mail zusenden. Dieser Jahresbericht soll später in einer neuaufgelegten
umfangreicheren Dokumentation "Terror in Tibet und Ost Turkestan"
erscheinen. Um eine Verbreitung in Bibliotheken und über Buchhandlungen zu
ermöglichen, soll die neue Dokumentation eine ISBN bekommen und im
sogenannten Book on Demand-Verfahren hergestellt werden. Leider fallen dabei
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Human Rights Update
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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India
phone/fax +91/1892/23363/25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org,
Oktober 2004
 

Zusammenfassung des Jahresberichts 2003: Die Menschenrechtslage in Tibet

 

Vorwort

Das Jahr 2003 begann für Tibet verheißungsvoll. Eine neue Generation von chinesischen Spitzenfunktionären – die meisten von ihnen Technokraten mit wirtschaftlichen Interessen – übernahm im März 2003 mit Hu Jintao als neuem Präsidenten die Führung der Staatsgeschäfte. Eingehergehend mit dem zweiten Chinabesuch der Sondergesandten des Dalai Lama innerhalb eines Jahres und der zunehmenden Beteiligung Chinas an internationalen Angelegenheiten (und damit der Verpflichtung internationalen Verhaltensnormen gegenüber, insbesondere was die Menschenrechte betrifft) weckte dies Hoffnungen bei der internationalen Gemeinschaft und den Tibetern, daß eine Lockerung in der Tibetpolitik Chinas vielleicht zu einem Neuanfang für das tibetische Volk führen könnte.

Dem sollte jedoch nicht so sein. Das ganze Jahr 2003 hindurch wurden Bemühungen zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit und des Justizwesens durch politische Kampagnen der Pekinger Regierung gegen mutmaßliche Oppositionelle untergraben. Es gab krasse Einschränkungen und weitere Unterdrückung bei den Rechten auf Rede-, Versammlungs- und Religionsfreiheit. Keinerlei Nachlassen war festzustellen bei den willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, den unfairen Prozessen, der Folter und Mißhandlung, ja es gab sogar gelegentliche Hinrichtungen. Gerechtfertigt wurde dieses brutale Vorgehen gegen das tibetische Volk mit Schlagworten wie „Gefährdung der Nation, der Staatssicherheit und der sozialen Stabilität“.

Daß die Hardliner wieder das Sagen in der Tibet-Politik haben, zeigte sich sowohl an der am 26. Januar 2003 erfolgten Hinrichtung des Tibeters Lobsang Dhondup als auch am Todesurteil gegen den angesehenen Lama Tulku Tenzin Delek. Die im Juli verfügte Verlängerung der nun bereits das dritte Jahr laufenden „Hart-Durchgreif-Kampagne“ von 2001 diente den Behörden zur Legitimierung ihrer Verfolgung aller als „spalterisch“ gebrandmarkten und ihrer Ansicht nach „die Staatssicherheit gefährdenden“ Aktivitäten. Natürlich wurden die Tibeter wieder die ersten Opfer dieser vagen und zweideutigen Anklagekategorien, deren genaue Interpretation die Chinesen nach wie vor schuldig bleiben.

Für die in Tibet lebenden Tibeter kamen der Geheimprozeß, die Todesurteile und die eilige Exekution als eine beängstigende Botschaft, die ihnen wieder einmal das chinesische Brutalitätspotential vor Augen führte. Der Prozeß selbst und seine Durchführung hinterließen bei Beobachtern der Lage ernsthafte Zweifel an der Fairneß der Justiz in China. Auch wurden dadurch Schatten auf die angeblich in anderen Bereichen erzielten Fortschritte geworfen. Die Tatsache, daß trotz gegenteiliger den USA, der EU und der internationalen Gemeinschaft bezüglich eines rechtmäßigen Prozesses gemachten Zusicherungen die Hinrichtung so abrupt vollzogen wurde, zeigt, daß China immer nur seiner eigenen Agenda folgen wird.

Das TCHRD verurteilt scharf die Art und Weise, in der China den Begriff „Staatsgeheimnisse“ in dem 1996 revidierten Strafverfahrensgesetz (Criminal Procedure Law – CPL) gebraucht. Er wird herangezogen, um den Angeklagten während des Ermittlungsprozesses jeglichen Zugang zu Anwälten zu verweigern. Des weiteren gewann die Polizei durch das CPL enorme Machtbefugnisse bei der Inhaftierung von Verdächtigen. Die mit der Begründung, bei genanntem Fall gehe es um „Staatsgeheimnisse“, ausgesprochene Weigerung des Volksgerichtshofes Sichuan, Tulku Tenzin Delek einen unabhängigen rechtlichen Beistand zu gewähren, ist ein eklatantes Beispiel dafür, daß das CPL die Verfahrensrechte von Strafverdächtigen und Angeklagten eben in keiner Weise schützt. Ebenso wurde an dem Fall deutlich, wie „politisch benachteiligte“ Angeklagte diskriminiert werden.

„Die chinesischen Behörden konnten nicht plausibel machen, warum der Fall Staatsgeheimnisse betreffen soll, und die Beweislage, anhand derer die Verurteilung erfolgte, blieb nebulös.“ Aus dem Bericht von Amnesty International: VR China – Justizirrtum? Der Fall Tenzin Delek Rinpoche und die damit verbundenen Verhaftungen – Oktober 2003.

Im Hinblick auf den Einfluß des tibetischen Buddhismus ist China geradezu paranoid. In dem Charisma des Dalai Lama wird eine einigende Kraft für die Tibeter und somit eine potentielle Bedrohung der Einheit des Mutterlandes wahrgenommen. Die Nervosität der Behörden zeigt sich in den Kontrollmechanismen zur Aushöhlung von religiösen Studien und sonstigen religiösen Aktivitäten. Beispiele hierfür sind das Verbot der Zurschaustellung von Bildern des Dalai Lama, die Schließung von Schulen, die unter dem Verdacht stehen, „spalterische Ideologien“ zu lehren, die ständige Einmischung der Behörden in religiöse und Verwaltungsangelegenheiten der Klöster und die „patriotische Umerziehung“ von Mönchen und Nonnen, bei der die Loyalität gegenüber dem Staat als über der Religion stehend gelehrt wird. Derartige Restriktionen stehen in direktem Widerspruch zur chinesischen Verfassung, in der die Freiheit der Religionsausübung garantiert wird.

Die von China im Laufe des Jahres bei bi- und multilateralen Gesprächen gemachten Versprechungen bezüglich der Menschenrechte führten zu nichts als zu Enttäuschung. Offenbar wurden diese Zusagen lediglich aus taktischen Gründen gegeben, um Zeit zu gewinnen und Kritik abzuwenden. Im August warf die Bush-Administration China vor, seine im Dezember 2002 eingegangenen Menschenrechtsverpflichtungen, auf Grund derer die USA beim Genfer Menschenrechtsforum vom März/April 2003 auf die Einbringung einer Resolution gegen Peking verzichtet hatten, nicht erfüllt zu haben.

„...sie haben definitive Versprechen gemacht, aber sie haben sie nicht gehalten. An dieser Stelle geht es nicht nur um Menschenrechte. Die Frage ist vielmehr: In wie weit kann man den Chinesen überhaupt trauen?“, sagte John Kamm, ein Menschenrechtsaktivist aus San Francisco, der die Geschehnisse in der VR China kritisch verfolgt.

Die Vorliebe Pekings für bilaterale Gespräche hat einzig den Zweck, bei internationalen Foren einer öffentlichen Verurteilung seiner Menschenrechtsverletzungen entgegenzuwirken. Dabei setzt bilaterale Diplomatie eigentlich voraus, daß die verhandelnden Parteien sich auch verpflichten, Mechanismen der Rechenschaftslegung und Transparenz sowie der Ahndung von Nichterfüllung in Gang zu setzen.

Um Dick Oosting, den Direktor des EU-Büros von Amnesty International in Brüssel, zu zitieren: „Durch Chinas Beharren auf gegenseitigem Respekt und Nicht-Konfrontation in der Menschenrechtsfrage hat sich die EU bisher am Gängelband eines formalen Menschenrechtsdialogs (der den Opfern von Menschenrechtsverletzungen in China keinerlei Erleichterung brachte) führen lassen. Alle Beteiligten wissen jedoch ganz genau, daß bei einer reifen gegenseitigen Beziehung auch Erfolge erzielt werden müssen“.

China brüstet sich seiner enormen Investitionen und Mammut-Entwicklungsprojekte in Tibet. Normalerweise sollte jedoch ein jedes Entwicklungsprojekt dem Recht des Volkes auf Selbstbestimmung dienen – und dazu gehört auch die Kontrolle über die Nutzung seines Landes und seiner natürlichen Ressourcen. Dennoch werden die Tibeter in Tibet sowohl von den Entscheidungen als auch der aktiven Beteiligung an den Projekten ausgeschlossen. Die Stadtentwicklungsvorhaben haben nur den Zweck, Chinas wirtschaftliche und politische Kontrolle über Tibet zu konsolidieren. Der daraus resultierende Zustrom zahlloser chinesischer Siedler stellt eine ernstliche Bedrohung für den Lebensunterhalt der Tibeter dar. Das TCHRD ist der Überzeugung, daß der tatsächliche Zweck der derzeitigen Entwicklungsprojekte nichts als die Assimilation ist. Das Tempo, mit dem diese Projekte vorangetrieben werden, wird schließlich den kulturellen Genozid am tibetischen Volk besiegeln.

Im März 2003 veröffentlichte China ein neues Papier zu seiner Tibetpolitik mit dem Titel: „Ökologischer Aufbau und Umweltschutz in Tibet“. Darin werden die chinesischen Entwicklungspläne für Tibet verteidigt und die große Bedeutung des Umweltschutzes für das Land betont. Kritiker, zu denen nicht zuletzt die tibetische Bevölkerung zählt, stehen den ambitionierten Plänen jedoch skeptisch gegenüber und halten den Bericht für Propaganda. Ihrer Auffassung nach schädigt die forcierte wirtschaftliche Entwicklung in Tibet die Umwelt. Peking verwarf die Kritik natürlich und sagte, umweltpolitische Bedenken dürften die wirtschaftliche Entwicklung nicht behindern. „Obwohl die Chinesen in öffentlichen Verlautbarungen stets die Priorität der Umweltpolitik betonen, steht sie in der tatsächlichen Rangfolge weit hinter strategischen und ökonomischen Erwägungen“, kommentierte die Tibet-Kennerin Kate Saunders.

Pekings Papier zur „Nationalen Minderheitenpolitik und ihrer Umsetzung in China“ von 2002 spricht sich ausdrücklich gegen ethnische Diskriminierung oder Unterdrückung jeglicher Art aus; vorgeblich wird darin die Achtung für die Religion und der Schutz der religiösen Überzeugung von ethnischen Minderheiten sowie die Benutzung und die Verbreitung ihrer jeweiligen Sprachen in Wort und Schrift festgeschrieben. Die Tibeter werden von China als „ethnische oder nationale Minderheit“ eingestuft.

Trotz dieser erklärten Politik werden die Tibeter weiterhin diskriminiert. Pekings Unduldsamkeit gegenüber ihrer Religionsausübung und die Schließung von tibetischen Schulen, welche die indigene Religion und Kultur sowie die gesprochene und geschriebene Sprache fördern, stellt sowohl einen Bruch der eigenen politischen Richtlinien als auch der von China am 31. März 1966 unterzeichneten und am 29. Dezember 1981 ratifizierten Internationalen Konvention zur Ausmerzung aller Formen der Rassendiskriminierung (International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination – CERD) dar.

Auf Geheiß Chinas schritt Nepal im Mai 2003 zur Auslieferung von 18 tibetischen Flüchtlingen. In seiner Pressemitteilung vom 2. Juni 2003 bezeichnete Amnesty International diese zwangsweise Rückführung von Tibetern nach China als inakzeptabel: „Die Durchführung dieser Operation spiegelt die eklatante Mißachtung aller internationalen Normen in bezug auf Menschenrechte und die Flüchtlingskonvention wider... Es steht zu befürchten, daß diese Menschen Folterung und weiteren gravierenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt werden, deshalb rufen wir die chinesischen Behörden dazu auf, umgehend für die Sicherheit der Betroffenen zu sorgen“.

Im November kündigte der chinesische Botschafter in Nepal, Sun Heping, an, sein Land werde künftig den Strom tibetischer Flüchtlinge, welche er als „illegale Immigranten“ bezeichnete, aufhalten. Diesbezügliche Maßnahmen werden in Zukunft die Bewegungsfreiheit des tibetischen Volkes noch weiter einschränken. Durch die grenzübergreifende Verschärfung der Restriktionen ist zu befürchten, daß immer mehr tibetische Flüchtlinge gefaßt und inhaftiert werden. Das TCHRD sieht in den von der chinesischen Regierung zur Kontrolle des Rechts der Tibeter auf Freizügigkeit, sogar noch jenseits der Grenze, getroffenen Maßnahmen einen unmittelbaren Versuch, den freien Informationsfluß an die Weltöffentlichkeit zum Erliegen zu bringen.

In seiner Rede auf dem Genfer Weltgipfel zur Informationsgesellschaft am 10. Dezember 2003 vermied der chinesische Informationsminister Wang Xudong peinlichst jede Erwähnung des unbefriedigend gehandhabten bzw. dringend verbesserungswürdigen Rechts auf Informations- und Redefreiheit. Statt dessen sprach er vom Fortschritt als der Basis für den Aufbau der Informationsgesellschaft – wieder einmal die Demonstration eines chinesischen Ablenkungsmanövers von der eigentlichen Problematik.

Der Empfang und die Weiterleitung von Informationen, der Austausch von Ideen und Meinungen sowie ihre Diskussion stellen wesentliche Elemente für eine Veränderung und Weiterentwicklung von Gesellschaften dar. Im Gegensatz dazu wurden in China seit 1993 mehrere Gesetze und Verordnungen zur Einschränkung der Nutzung von Informationstechnologien erlassen. Der Report von Amnesty International „Die VR China: Staatliche Kontrolle des Internets im Jahr 2002“ berichtet über die Gefangensetzung von 33 Personen, weil sie Informationen mittels des Internets weitergeleitet bzw. aus dem Internet heruntergeladen hatten.

Verglichen mit dem restlichen China bleibt die Internet-Nutzung durch Tibeter weiterhin marginal; teilweise liegt dies wohl auch an der mangelhaften Schulbildung und der hohen Rate von Analphabeten in Tibet. Die Störung von Radio- und Fernsehprogrammen ist eine weitere häufig angewandte Methode zur Kontrolle alternativer Informationsquellen. Im vergangenen Jahr wurden viele Tibeter wegen Weitergabe von Informationen an die Außenwelt zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Teil II

der gesamte Berichtals rtf. Datei steht hier zur Verfügung

 

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