JÜNGERE GESCHICHTE DER UNTERDRÜCKUNG
Vertreibungen
International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR): (Internationales Abkommen
über zivile und politische Rechte) (Universelle
Erklärung der Menschenrechte) Die
Anordnung vom 18. April 2001 an über
7 000 Studenten in Serthar das Institut zu verlassen begann man
am 24. Mai durchzusetzen, als die Behörden ungefähr 1 000 Studenten
gewaltsam in ihre jeweiligen Bezirke in Tibet und China zurückbrachten.
"Arbeitsteams", PSB (Public Security Bureau/staatliche
Sicherheitspolizei) and PAP (People's Armed Police/bewaffnete
Volkspolizei) vertrieben eine grosse Zahl von Bewohnern, die aus Lhasa,
Chamdo und verschiedenen Gebieten in Tsongon, Golok, Yushul und Kenlho
stammten. Am selben
Tag gaben zwei Bezirksbeamte der "TAP" Karze einen Befehl der
Zentralregierung weiter, der Khenpo Jigme Phuntsoks Lehrplan und religiöse
Zeremonien mit einem Verbot belegte. Khenpo war zu der Zeit im dritten
Monat eines siebenmonatigen Lehrzyklus. Dieser wurde am 24. Mai beendet,
und seither haben die Behörden ganze religiöse Zeremonien und andere
öffentliche Ereignisse gestrichen. Für die Studenten, die noch im
Institut sind, sind Unterricht und Studium schwer beeinträchtigt
worden. Es wird
angenommen, dass fast 3 000 der 3 500-4 000 Nonnen des Instituts bis
November 2001 vertrieben wurden. Serthar war eine der wenigen in Tibet
verbliebenen Institutionen, wo Nonnen studieren konnten, und das einzige
Nonnenkloster mit Studienplänen, die zum Khenpo-Diplom führten. Die
chinesische Regierung hat die meisten Nonnenklöster systematisch
geschlossen und zerstört, oder in denen, die noch stehen, die Zulassung
begrenzt. Diese massiven Vertreibungen werden ernsthafte Auswirkungen
auf die Möglichkeiten der tibetischen Frauen zum Studium der Religion
oder zu irgendeiner weiterführenden Ausbildung haben. Wie berichtet
wurde, sind viele Nonnen zu ihren Familien zurückgekehrt und arbeiten
nun auf dem Feld. Andere wurden gesehen, wie sie in den Strassen der grösseren
Städte bettelten. Diejenigen ohne Familie oder ein Zuhause sehen möglicherweise
die Flucht ins indische Exil als ihren einzigen Ausweg. Insbesondere
behinderten, geschiedenen oder verwittweten Nonnen bot Serthar einen
Rettungsanker in Form spirituellen und säkularen Unterhalts, der nun
entfernt wurde. Das Bittgesuch der Nonnen an die oberen Behörden
"Abstand zu nehmen von solchen unglaublich barbarischen
Handlungen" wurde als Herausforderung der lokalen Behörden und
Beijings interpretiert. Die
Vertreibungen und Zerstörungen in Serthar, die von einem grossen
Kontingent an Polizei und Armeeangehörigen überwacht wurden, verstossen
direkt gegen Gesetze, welche die Verletzung religiöser Freiheit unter
Strafe stellen. Der Artikel 251 des überarbeiteten chinesischen
Kriminalrechts sagt: "Staatliches Personal, das den Bürgern
unrechtmässig ihre Religionsfreiheit vorenthält und Sitten und Gebräuche
ethnischer Minderheiten einschränkt, ist in ernsten Fällen zu bis zu
zwei Jahren Gefängnis oder Strafhaft zu verurteilen. In der
Entschliessung über die Standards zur Aktenhaltung unmittelbar
anerkannter Fälle von Einschränkung demokratischer und persönlicher
Rechte der Bürger und solcher von strafbaren Handlungen ist festgelegt,
dass die Sachverwaltung eines Volkes einen Fall, in dem ein Funktionär
des Staates illegalerweise irgendjemandem seine oder ihre rechtmässige
Freiheit des religiösen Glaubens vorenthält, zum Beispiel dadurch,
dass er sich in normale religiöse Handlungen einmischt, eine/n Gläubige/n
zwingt seine/ihre Mitgliedschaft in einer Religion aufzugeben oder einen
Bürger dazu nötigt, sich zu einer bestimmten Religion oder zur Anhängerschaft
einer bestimmten religiösen Sekte zu bekennen, und in dem das Vergehen
verabscheuenswürdiger Natur ist und zu ernsthaften Konsequenzen und
unerwünschten Auswirkungen geführt hat, zu den Akten nehmen soll. Darüber
hinaus stellt sie fest, dass die Sachverwaltung eines Volkes ausserdem Fälle
der illegalen Schliessung oder Zerstörung legaler religiöser Stätten
und anderer religiöser Einrichtungen zu Protokoll nehmen soll. Ein
Augenzeugenbericht der Vertreibungen Seit dem
20. Juni 2001 ist eine grosse
Anzahl an PSB, PAP und "Arbeitsteams" der Vereinigten
Arbeitsfront Abteilung im Serthar Institut angekommen, um jegliche
Opposition gegen ihre Ausweisungsbefehle zu unterdrücken. Es gab ungefähr
100 PAP aus allen 18 Bezirken der "TAP" Karze und ein grosses
Kontingent der Volksbefreiungsarme, die dabei halfen, die Situation
unter Kontrolle zu halten. Über 2 000 Personen waren in einem Lager in
der Gemeinde Lorok untergebracht, die in der Nähe des Serthar Instituts
liegt. Die Beamten riefen uns zu sich, baten uns dringend und
schmeichelten uns, damit wir zu unseren jeweiligen Ursprungsorten zurückkehren
sollten. Man drohte uns mit entsetzlichen Konsequenzen, falls wir uns
weigerten uns zu fügen, unter anderen, dass unsere Familien Strafen
zahlen müssten und dass Khenpo und die sieben Mitglieder des ständigen
Ausschusses schuldig gesprochen würden, falls wir uns ihren
Anordnungen widersetzten. Die
offizielle Anordnung verursachte bei allen Bewohnern äussersten Schock
und Verzweiflung, und am Anfang weigerten wir uns den
Ausweisungsbefehl zu befolgen. Im Verlauf der Massenvertreibung, die so
unnachgiebig durchgeführt wurde, wurden wir aufgefordert ein Dokument
zu unterschreiben, das dazu aufforderte, dem Dalai Lama abzuschwören,
uns zu verpflichten, die Politik der chinesischen Behörden hoch zu
halten, und uns zu verpflichten nicht zum Institut zurückzukehren. Wir
weigerten uns das Dokument zu unterschreiben und hielten unsere Stellung
um jeden Preis. Als der Grad der Drohungen und Warnungen eskalierte,
entschieden wir uns, das Institut zu verlassen ohne das Dokument
unterschrieben zu haben. Die Behörden
versuchten uns zur Unterschrift des Dokumentes zu verführen, indem sie
uns verschiedene weltliche Verlockungen anboten - Geld, sechs Yaks und
sechs Dri (weibliche Yaks), Bau und Reparatur von Häusern, Jobs und
eheliche Verbindungen. Die Nonnen erwiderten: "Khenpo Jigme
Phuntsok ist unser Wurzelguru (spiritueller Lehrer) und wir haben überhaupt
kein Verlangen das Serthar Institut zu verlassen. Wir haben dem
weltlichen Leben entsagt und sind Nonnen geworden, um spirituelle
Studien zu betreiben, und
wir beabsichtigen unsere spirituelle Praxis bis zum letzten Atemzug
fortzusetzen." Beleidigungen,
Drohungen und Schläge begleiteten die erzwungenen Vertreibungen. Die
Beamten spuckten, traten, bewarfen uns mit Tassen und schwangen
Pistolen, um uns zu drohen. Man sagte uns, die Weigerung dem Befehl zu
folgen würde dem Begehen einer ungesetzlichen Handlung gleich kommen
und wäre gesetzlich strafbar. Zerstörung von Wohnungen
Handlungen zum Schutz der
gesetzlichen Rechte und Interessen solcher Orte. Die Ausführungsverordnungen
spezifizieren: Orte religiöser Aktivitäten sollen unabhängig und
durch ihre eigene Verwaltung geleitet werden, deren gesetzliche Rechte
und Interessen dem ICCPR entsprechen. (Internationales Abkommen
über ökonomische, soziale und kulturelle Rechte): Artikel 11(1) Die am
vorliegenden Abkommen teilnehmenden Staaten anerkennen jedermanns Recht
auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und seine
Familie, einschliesslich angemessener Nahrung, Kleidung und Wohnung,
sowie auf fortlaufende Verbesserung der Lebensumstände. Die United Nations
Commission on Human Rights (die UN-Kommission für Menschenrechte) hat
'angemessene Wohnung' so definiert, dass sie das Recht auf Schutz vor
gewaltsamer Vertreibung einschliesst. "Gewaltsame Vertreibung"
zieht "die permanente oder vorübergehende Entfernung von
Individuen, Familien und/oder Gemeinschaften gegen ihren Willen aus
ihren Wohnungen und/oder dem Land, auf dem sie leben, nach sich, ohne
Bereitstellung von oder Zugang zu angemessenen Formen rechtlichen oder
anderen Schutzes." Die
Kommission hat wiederholt erklärt, dass gewaltsame Vertreibungen eine
grobe Verletzung von Menschenrechten darstellen. Die Kommission schreibt
vor, dass, wo gewaltsame Vertreibungen stattfinden, die Regierungen
umgehende, adäquate und ausreichende Kompensationen und/oder eine
alternative Unterbringung in Absprache mit den vertriebenen Menschen zur
Verfügung stellen müssen. Die
chinesische Regierung hat in den Ausführungsverordnungen zur Verwaltung
von Orten religiöser Aktivitäten veröffentlicht, dass religiöse
Handlungen an diesen Orten gesetzlich geschützt seien. Keine
Organisation oder Individuen dürfen solche Rechte verletzen oder sich
einmischen. Im Juli
2001 bezeichneten die Behörden in der Provinz Sichuan das Institut als
"illegal" und ordneten seine Schliessung an. Über 2 000 Wohnhäuser
innerhalb des Institutsgeländes, einschliesslich acht Gebäuden, in
denen das Internationale Religiöse Komitee untergebracht war, und eine
Reihe von Restaurants und Geschäften wurden im Juni und Juli 2001
abgerissen. Zwischen dem 1. und 8. Juli wurden die Hütten von ungefähr
300 Nonnen zerstört. Chinesische Beamte haben in ihrem Arbeitsbericht
die Zerstörung von 1875 Wohnungen zugegeben. Es wird jedoch angenommen,
dass die tatsächliche Anzahl die offizielle Zahl übersteigt. Während
des Juni 2001 wurde dem siebenköpfigen ständigen Komitee des Instituts
wiederholt befohlen Schriftstücke, die den Abriss rechtfertigten, zu
verfassen und zu verbreiten. Chinesische Beamte wiesen die
Komiteemitglieder an zu schreiben, dass die andauernde Zerstörung des
Serthar Instituts auf Anordnung des Instituts geschehe. Sie wurden auch
beauftragt zwei Hütten zu zerstören. Die Mitglieder des Komitees
weigerten sich diesen Forderungen Folge zu leisten und erwiderten, dass
dies ihren religiösen und weltlichen Überzeugungen zuwiderliefe. Bericht über
Zerstörungen aus erster Hand von einem Mönchsstudenten Armeepersonal
in Zivil und angestellte Arbeiter kamen in vier Lastwagen an, um den
Abriss durchzuführen. Sie waren mit Spaten, Eisenstangen und Kabeln
ausgerüstet. Die Arbeiter bekamen 130-350 Yuan (bis zu US$41) für jede
zerstörte Hütte. Es gab zwei Armeelastwagen und 40 bis 50 Fahrzeuge.
Die Arbeiter arbeiteten von acht Uhr morgens bis sieben Uhr abends mit
drei Stunden Pause zwischendurch. Diese Arbeiter rissen pro Tag 200-300
Hütten nieder. Die
Vernichtung der Wohnräume wurde mit aller Macht durchgeführt; dies
geschah, um die ausgewiesenen Einwohner davon abzuhalten ins Institut
zurückzukehren. Choephel, der leitende Beamte in "TAP" Karze,
hatte die Aufsicht über den Einsatz. Die Hütten wurden mit allen
Haushaltsgegenständen und Schreinen, die noch darinnen waren, zerstört.
Es wurde von mehreren Fällen berichtet, in denen Arbeiter nach der
Zerstörung der Hütten das Eigentum der Einwohner stahlen. Die Arbeiter
zerrten Invaliden und alte Bewohner heraus, manchmal deckten sie sogar
die Dächer ab, während die Besitzer noch in den Häusern waren. Während
des Einsatzes waren das Fotografieren und Aufnehmen von Videofilmen des
verwüsteten Geländes untersagt. Alle Strassen waren gesperrt und
Besuche streng verboten. Touristen und ausländischen Offiziellen wurde
der Zugang zu dem Gebiet verweigert. Es wurde bekannt gemacht, dass
Besucher mit Festnahme und Haft zu rechnen hatten. Polizisten mit
Pistolen und Ferngläsern überwachten das Gelände. Khenpo Jigme Phuntsok in
Einzelhaft
International Covenant on Civil and Political Rights: (Internationales
Abkommen über Bürgerliche und Zivile Rechte) Im Spätherbst
2001 hatten widersprüchliche Berichte über den aktuellen
Aufenthaltsort und den körperlichen Zustand von Khenpo Jigme Phuntsok,
den 68-jährigen Gründer und Abt des Buddhistischen Instituts Serthar,
aufzutauchen begonnen. Seit er 50 war, hatte Khenpo unter einer
Verdauungsstörung und nachlassender Sehkraft gelitten. Die Durchführung
der Massenausweisungen und Zerstörungen verschlimmerte diese Leiden,
und Khenpos physische und geistige Gesundheit verschlechterte sich im
Laufe des Sommers 2001. Aus Quellen
des TCHRD geht hervor, dass die chinesischen Behörden zu Beginn die
Erlaubnis zu medizinischer Versorgung Khenpos zurückhielten und er die
folgenden Monate ohne Behandlung im Serthar Institut blieb. Als die Behörden
jedoch sicher waren, dass ihr Auftrag, "überzählige"
Studierende auszuweisen und ihre Hütten zu zerstören, ausgeführt war,
wurde Khenpo erlaubt Serthar zu verlassen, um medizinisch behandelt zu
werden. Eine
sichere Quelle berichtet, dass Khenpo Anfang August 2001 in ein Militärhospital
in Barkham, Region Ngaba, Provinz Sichuan, gebracht wurde. Er wurde von
Khenpo Tsultrim Lobdon, Tsedom und Palzue (Khenpos Neffen), Jetsunma
Mumey Yeshi Tsomo (Khenpos Nichte und Äbtissin von Serthars
Nonnenkloster), Sonam Dhondup (Bediensteter), Pema Gelek (Leibwächter)
und Raldi (Bezirks-Polizeioffizier) begleitet. Rigzin, ein
tibetischer Arzt, der zur Zeit am Barkham Militärhospital angestellt
ist, war früher ein persönlicher Arzt Khenpos. Die Behörden
verweigerten Khenpo jedoch das Recht, von ihm behandelt zu werden,
Diagnose und Behandlung übernahm stattdessen ein unbekannter Arzt.
Danach wurde keinen Besuchern von ausserhalb mehr gestattet Khenpo zu
sehen. Khenpo
Jigme Phuntsoks Anhänger und Studenten sind seither sehr besorgt um
seine Gesundheit und über das Ausmass und die Art der medizinischen
Behandlung, die er unter der Aufsicht der Behörden der VRC erhält. Nach einem
Bericht des Tibet Information Network (TIN) vom 8. November 2001 wurde
Khenpo vom Barkham Militärhospital nach Chengdu, der Hauptstadt von
Sichuan, verlegt. "Es ist nicht bekannt, ob er in einem Krankenhaus
in Chengdu behandelt wird, wo die medizinischen Einrichtungen
fortschrittlicher sind als in Barkham," schreibt die in London ansässige
Beobachtungsagentur. Es gibt
auch unbestätigte Berichte, nach denen Khenpo Jigme Phuntsok heute
faktisch unter Hausarrest steht, aber die frühere Entscheidung der Behörden,
Khenpo an einen anderen Ort zu bringen, durch seine anhaltende Krankheit
aufgehalten wird. Schmälerung
persönlicher und religiöser Freiheit
International Covenant on Civil and Political Rights: (Internationales
Abkommen über bürgerliche und zivile Rechte) TCHRD hat die noch unbestätigte
Information erhalten, dass sechs Nonnen infolge der Razzia in Serthar
gestorben sind. Wie berichtet wurde, sind vier Nonnen aus unbekannter
Ursache gestorben, während von zweien berichtet wird, dass sie sich erhängt
haben. TCHRD hat keine weiteren Informationen über die Namen oder die
genauen Umstände dieser Todesfälle. Gut informierte Quellen glauben
jedoch, dass diese Todesfälle mit Stress und Verzweiflung zusammenhängen,
die durch die kürzliche Razzia ausgelöst wurden. Wie berichtet wurde,
spielte die Verwaltung des Serthar Instituts die Todesfälle herunter
aus Angst, strengere Repressalien der chinesischen Behörden zu
provozieren. Chinesische Studenten aus Übersee und vom Festland waren die erste Zielgruppe der Welle staatlicher Anordnungen, die besagten, |