Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala
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2002
Zerstörung des Serthar Instituts : Ein Spezialbericht
Inhalt Vorwort Religiöse Abteilung Verwaltungsabteilung Der Lehrplan
Jüngere Geschichte der
Unterdrückung Ausweisungen
Zerstörung der Wohnungen Khenpo Jigme Phuntsok in Einzelhaft Einschränkung persönlicher und religiöser
Freiheit Vorwort
Sommer und
Herbst 2001 erlebten den Abriss des führenden Zentrums buddhistischer
Wissenschaft und Praxis auf der tibetischen Hochebene. In den 21 Jahren
seines Bestehens hatte sich das Serthar Institut (vor Ort bekannt unter
dem Namen Larung Gar) von einer einsamen Bergeinsiedelei zu einer
spirituellen Oase für mehr als 8000 Mönche, Nonnen und Laienschüler
entwickelt. Khenpo
Jigme Phuntsok gründete das Serthar Institut im Larung Tal bei der
Stadt Serthar, Präfektur Karze, Provinz Sichuan, im Jahr 1980, um dem
dringenden Bedarf an Erneuerung der Meditation und des Studiums in ganz
Tibet, der auf die Kulturrevolution in China (1966-77) folgte,
nachzukommen. Diese nicht sektengebundene Akademie zog fast 1000
chinesische Praktizierende vom Festland und aus Übersee als Schüler
an; sie waren die erste Gruppe, die im Juni und Juli 2001 ausgewiesen
und in ihre Heimatorte abgeschoben wurde. Von den Chinesen angestellte
"Arbeitsteams" zielten als nächstes auf die über 4000
tibetischen Nonnen, die das Serthar angegliederte Nonnenkloster
bewohnten. Die offizielle Anweisung aus Beijing war, ihre Zahl auf 400
zu reduzieren und ihre Meditationshütten zu zerstören, um
sicherzustellen, dass die Vertreibung Bestand hat. Nach
Aussage von Beobachtungsdiensten waren Ende Oktober mehr als 1000
Wohnungen in Serthar zerstört, Tausende von Mönchen und Nonnen waren
erfolgreich vertrieben und man nahm an, dass Khenpo Jigme Phuntsok in
Chengdu, der Hauptstadt von Sichuan, in Isolationshaft war. Der
charismatische Gründer von Serthar war vorab zum Zwecke medizinischer
Behandlung in einem Militärhospital in Barkham, Ngaba "TAP" (Tibetische Autonome Präfektur)
aus seinem Institut abgeholt worden. Die
Entfernung von Khenpo Jigme Phuntsok in chinesischen Gewahrsam, die
Vertreibung der Mehrzahl der Schüler des Serthar Instituts und das
offizielle Verbot religiöser Lehre und Praxis sind der Höhepunkt der
seit zwei Jahren eskalierenden Restriktionen und Propagandafeldzüge der
chinesischen Behörden gegen die buddhistische Akademie. DAS SERTHAR INSTITUT
Das weite Tal, in dem das
Serthar Institut liegt, ist 15 km von der Stadt Serthar im Bezirk
Serthar, Karze, "Tibetische Autonome Präfektur" (TAP),
Sichuan, entfernt, eine Gegend zwischen den früheren Provinzen Kham und
Amdo. 1980 gründete Khenpo Jigme Phuntsok das Institut in dieser
Nomadengegend am Ort einer berühmten
Nyingma-Einsiedelei. Khenpo Jigme Phuntsok wurde 1937 in einer berühmten
religiösen Nomadenfamilie in der Dhokregion von Kham geboren. Im Alter
von zwei Jahren erkannten ihn Terton Wangchuk und Tashul Lama von der
Nyingma Schule des Tibetischen Buddhismus als die Reinkarnation von
Terton4
Lerab Lingpa (1852-1926) oder Sogyal Rinpoche- einem engen spirituellen
und persönlichen Freund des 13. Dalai Lama. Khenpo studierte zunächst
bei einem Onkel, einem berühmten Lama-Gelehrten im Kloster Nubsur, und
wurde in Dzogchen (die Lehren der Grossen Vollendung) ausgebildet. Im frühen
Alter von 14 Jahren erbat er von Khenchen Sonam Rinchen, Abt des
Klosters Drakdzong die Ordination zum Mönch. Ab 18 blieb er im Dzatoe
Changma Retreat Zentrum, wo er unter der Leitung vieler berühmter
Lehrer studierte, Meditation übte und sechs Jahre als Einsiedler lebte.
Im Alter von 20 Jahren wurde er zum bhikshu (einem voll ordinierten Mönch)
ordiniert, und mit 26 gründete er ein Retreat Zentrum, Senggey
Yangtsung, in Amdo. 1980 wurde
das Serthar Institut als sektenunabhängiges Studierzentrum mit weniger
als 100 Studenten gegründet, eine Anzahl, die sich innerhalb von 21
Jahren wie von selbst auf 8800 erhöhnte. Später wurde unter der
Leitung von Khenpos Nichte ein angegliedertes Nonnenkloster in dem Tal
gebaut. Bis die Behörden im Juni und Juli 2001 grössere
Abbrucharbeiten und Vertreibungen durchführten, war Serthar das führende
Zentrum religiöser Wissenschaft in Tibet unter chinesischer Herrschaft.
Der Standard der Lehre war anerkanntermassen dem Niveau der grossen Klöster
im Exil in Indien ebenbürtig. Die Klosteruniversitäten mit
vergleichbaren Studentenzahlen und Lehrplänen in Tibet wurden während
Chinas Demokratischen Reformen (1955-1961) und der Kulturrevolution
(1966-1977) zerstört, und heute ist die Zahl der in den Resten dieser
Institutionen lebenden Mönche erheblich kleiner. 1987 führte
Khenpo Hunderte seiner Schüler vom Serthar Institut auf eine
Pilgerreise zu den heiligen Bergen von Wutaishan in Chinas Provinz
Shaanxi. Unterwegs traf er in Beijing den 10. Panchen Lama und belehrte
eine Versammlung von über 5000 tibetischen, chinesischen, mongolischen
und anderen buddhistisch Praktizierenden über die 37 Übungen der
Bodhisattavas. In Wutaishan wuchs die Zahl der zu seinen Lehren
Versammelten gelegentlich auf fast 10 000 an. Er führte auch Retreats
an heiligen Plätzen und Höhlen durch. Man sagt, dass seine Schüler während
dieser Pilgerreise viele aussergewöhnliche Phänomene beobachtet haben.
Zu jener
Zeit holte der verstorbene Panchen Lama die Zustimmung Beijings dazu
ein, dass Serthar als ein buddhistisches Institut bezeichnet wird, womit
es als eine Akademie anerkannt und Serthar Larung Ngarig Nangten Lobling
genannt wurde. Das offizielle Siegel des Instituts trägt den Namen
"Larung Metropolis Buddhistische Akademie". 1993 vergrösserte
Khenpo Jigme Phuntsok seine bereits sehr grosse Anhängerschaft auf
Lehrreisen in den Vereinigten Staaten, Kanada, Deutschland, England,
Frankreich, Japan, Taiwan, Hong Kong, Indien, Nepal und Bhutan. Mit
Geldspenden, die ihm auf dieser Reise gegeben wurden, wurden grössere
Bauvorhaben in Serthar finanziert. Vor der jüngsten
Abbruchserie hatte das Institut beinahe 9000 ordinierte und Laienstudenten
in einer vielfältigen Mischung von Nationalitäten, einschliesslich
ungefähr 1000 aus Übersee. Die internationalen Studenten kamen aus
Taiwan, Hong Kong, Singapur, Malaysia, Süd- und Nord-Korea und aus
Gebieten Chinas, einschliesslich der Provinz Shaanxi, der Inneren
Mongolischen Autonomen Region und der Autonomen Region Xinjiang
(Ost-Turkestan). Die
tibetischen Studenten stammten aus verschiedenen Landkreisen in
Ost-Tibet, einschliesslich Serthar, Drango, Tawu, Dartsedo, Karze, Derge
und Nyarong in der Provinz Sichuan; Landkreis Dechen in der Provinz
Yunnan; und "TAPs" wie Jyekundo und Malho in der Provinz
Tsongon (Ch: Qinghai) sowie Chamdo und Nagchu in der "Autonomen
Region Tibet" (TAR). Während manche Studenten die grauen oder
gelben klösterlichen Roben im traditionellen chinesischen Stil
anlegten, trugen andere das tibetische Braun und Safrangelb. Zusätzlich
zu denen, die ständig im Institut lebten und studierten, versammelten
sich einmal im Jahr viele andere Schüler, um von Khenpo Jigme Phuntsok
gelehrt zu werden. Sie lebten dort nur für den Zeitraum der Belehrungen
und Ermächtigungen. Zu diesen Zeiten beherbergte das weite Tal bis zu
über 100 000 Schüler. Religiöse Abteilung
Die
Studentenschaft des Serthar Instituts bestand aus Mönchen, Nonnen,
Laien- "Gelübde-Haltern" tibetischer und chinesischer
Herkunft und Tantra Praktizierenden. Sie studierten in vier grossen
religiösen Abteilungen: o
Ngarig
Nangten Lobling o
Internationales
Religiöses Komitee o
Pema
Khandro Duling Nonnenkloster o
Lektso
Charbeb Ling Ngarig Nangten Lobling bestand aus 2 500
tibetischen Mönchen unter der Leitung von Khenpo Tsultrim Lodoe und
Tulku Tenzin Gyatso. Sie hielten jedes Jahr während des sechsten Monats
des tibetischen Mondkalenders (das entspricht Juli oder August) eine
spezielle sechstägige Gebetssitzung (die Sangkyu Monlam) ab. Das
Internationale Religiöse Komitee beaufsichtigte ungefähr 1 000 Schüler
aus Gegenden der VRC sowie ausländische Schüler aus Asien. Mandarin
Chinesisch war die Unterrichtssprache für chinesischstämmige
Studenten. Der Präsident des Internationalen Religiösen Komitees war
Khenpo Sonam Dhargyal, und Khenpo Yeshi Phuntsok war der Leiter der
Abteilung. Finanziert von dieser Sektion wurde im vierten Monat des
tibetischen Mondkalenders (das entspricht Mai oder Juni) eine
Gebetssitzung durchgeführt. Das Pema Khandro Duling Nonnenkloster war
das Zuhause für ca. 3500 -4000 Nonnen aus allen Gegenden Tibets. Die
Leiterinnen der Abteilung waren Präsidentin Jetsunma Mumey Yeshi Tsomo,
Khenpos 35jährige Nichte, und Khenpo Rigdol. Der Lehrplan gestattete
Nonnen zum ersten Mal in Tibet das begehrte Khenpo Diplom. Diese
Abteilung hielt im ersten Monat des tibetischen Mondkalenders (etwa im
Februar) eine 15-tägige Gebetszeremonie (Rinzin Bumtsog) ab. Bis zu
30 000 Menschen zog es zu diesem glücksverheissenden Beginn des
tibetischen Neuen Jahres ins Serthar Tal. Lektso Charbeb Ling war die
Abteilung, die tibetische Laien- "Gelübde-Halter" und
Tantra-Praktizierende aus Serthar und anderen Gegenden Tibets
ausbildete. Die Zahl der Schüler in dieser Abteilung war um 1000, mit
Lama Jachoe als Abteilungsleiter. Seine Mitglieder organisierten einen
Gebetszyklus, Dechen Shedrop Chenmo, für acht Tage während des elften
Monats des tibetischen Mondkalenders, ungefähr im Dezember. Das Serthar
Institut hatte ein ständiges Exekutivkomitee von sieben gebildeten
Lamas (Tulku Tenzin Gyatso, Khenpo Tsultrim Lodoe, Khenpo Sonam Dhargyal,
Khenpo Sabsang, Khenpo Sherab Sangpo, Tulku Longtop und Khenpo Rigdol),
aber grössere Entscheidungen wurden erst nach Konsultationen mit Khenpo
Jigme Phuntsok bestätigt und umgesetzt. Verwaltungsabteilung
Zusätzlich
zu der Einteilung in religiöse Abschnitte wurde das Institut durch vier
hauptsächliche Körperschaften verwaltet: o
Ausbildungsverwaltung
o
Finanzverwaltung
o
Disziplinarverwaltung
o
Leitungsbüro
Tulku
Tenzin Gyatso und Khenpo Tsultrim Lodoe betreuten gemeinsam den
Abschnitt Ausbildungsverwaltung; Khenpo Sherab Sangpo und Tulku Longtop
betreuten die Finanzen; und Khenpo Sabsang und Khenpo Rigdar waren für
die Disziplin verantwortlich. Zu dem Zeitpunkt, da dies in Druck geht,
ist die Identität derer, die das Leitungsbüro leiten, nicht bekannt.
Das Disziplin Management Komitee hielt hauptsächlich drei Prinzipien
aufrecht; Güte, richtige Disziplin, und Übung in Zuhören,
Kontemplation und Meditation. Ein Hilfskomitee wurde eingerichtet, um
den Kranken, Armen, Alten und Hilfsbedürftigen zu helfen. Zusätzlich
zu einem allgemeinen Krankenhaus gab es vier weitere medizinische
Kliniken, jede für eine der vier buddhistischen Schulen. Es gab auch
ein Umweltschutzkomitee, das Gesundheitsfürsorge und Hygiene überwachte.
Ein anderes Büro bearbeitete spezifisch religiöse Angelegenheiten wie
die Organisation von Butterlampenopfern und Gebetszyklen. Die
Studenten am Institut bauten ihre Unterkünfte aus Lehmziegeln, Steinen
und Holz selbst und waren bezüglich Nahrung, Kleidung und anderen
Dingen weitgehend Selbstversorger. Aufgrund der hohen Lage oberhalb der
Baumgrenze mussten die Studenten extreme Klimabedingungen ertragen, von
eiskalten Wintern bis zu intensiver Sommerhitze. Der Lehrplan
Das Serthar
Institut beherbergte über 500 Khenpos - Doktoren der Theologie - und
war weithin bekannt für die hohe Qualität sowohl seiner religiösen
als auch seiner zeitgenössischen Ausbildung. Englische, chinesische und
tibetische Sprache und moderner EDV-Unterricht wurden neben
traditionellen, nicht sektengebundenen buddhistischen Studien gelehrt.
Alle vier Traditionen des tibetischen Buddhismus konnten, ebenso wie
Tibets ursprüngliche Religion, Bön, gründlich studiert werden. Aller
Unterricht war kostenlos. Das
Institut bot eine Vielzahl von Kursen in den klassischen Studienfeldern
des tibetischen Buddhismus an. Die fünf Fächer, die unter Sutra
gelehrt wurden, waren Madhyamika (Philosophie des Mittleren Weges),
Pramana (Logik), Prajñaparamita (Vollendung der Weisheit), Abhidharma
(Metaphysik) und Vinaya (Disziplin). Die vier Tantra-Klassen
(esoterische Praxis) waren Kriya-Tantra (tätiges Tantra), Carya-Tantra
(Darstellungstantra), Yoga-Tantra (yogisches Tantra) und Anuttara-Tantra
(höheres yogisches Tantra). Ebenso wie Debattieren und Aufsatz
unterrichtete das Institut Grammatik, Linguistik, Dichtung, Medizin,
religiöse Kunst und Architektur. Die Fähigkeiten der Studierenden in
allen Fächern während des ganzen Studiums entschieden über das
Erreichen des Studienabschlusses. CHRONOLOGIE DER EREIGNISSE
Es wird
angenommen, dass die Ursachen für die gegenwärtigen Repressalien ins
Jahr 1990 zurückreichen, als Khenpo Jigme Phuntsok nach Indien reiste,
um eine Audienz beim Dalai Lama nachzusuchen. Während dieses Besuchs
entwickelte Khenpo eine anhaltende spirituelle Beziehung zu dem
tibetischen Führer im Exil. 1993 hatte Khenpo auch eine Reihe fremder Länder
besucht, was ihm internationale Bekanntheit und Anhängerschaft
bescherte. Sein aussergewöhnliches Charisma und sein authentischer
Lehrstil erwiesen sich bei den überseeischen Chinesen in Südostasien
als besonders populär. 1994, als
die chinesischen Behörden Khenpo Jigme Phuntsoks Reisen nach Übersee
mit einem Verbot belegten, war die offizielle Anschuldigung, dass Khenpo
vier Jahre zuvor den Dalai Lama in Dharamsala getroffen hatte. In dem Jahr
hatte ein Treffen in Beijing unter dem Vorsitz von Präsident Jiang
Zemin – das Dritte Forum zur Arbeit in Tibet – beschlossen, die
Kontrolle über Mönchs- und Nonnenklöster auf der Hochebene zu verschärfen.
Religiöse Institutionen wurden nun als "Brutstätten und Frühbeete"
für "spalterische Aktivitäten der Dalai-Clique" angesehen.
Aus den Direktiven des Forums folgten die Kampagnen der
"patriotischen Erziehung" und des "harten
Durchgreifens", und 1997 wurden in ganz Tibet
"Arbeitseinheiten zur patriotischen Erziehung" eingesetzt, um
Mönche und Nonnen dazu zu zwingen, den Dalai Lama zu verleumden und der
Kommunistischen Partei Gefolgschaft zu schwören. 1998
besuchten Beamte der Vereinigten Arbeitsfront in Sichuan und des Büros
für Religiöse Angelegenheiten der Zentralregierung das Serthar
Institut und verhörten Khenpo Jigme Phuntsok dreimal bezüglich seiner
Verbindung mit dem exilierten Dalai Lama. Khenpo antwortete, dass der
Dalai Lama als sein spiritueller Führer ihm geraten hatte, für das
Wohlergehen aller fühlenden Wesen zu arbeiten. Khenpo leugnete
kategorisch jegliches politische Engagement und schwor, dass der Dalai
Lama ihn niemals dazu ermutigt habe, politisch aktiv zu werden. Zu jener
Zeit wurde das "Arbeitsteam" des Bezirks Serthar etabliert.
Das "Arbeitsteam" versammelte die Studenten des Instituts zu
Sitzungen politischer Indoktrinierung und verteilte Schriftstücke zur
kommunistischen Ideologie. Im
Anschluss an seine Verhöre und an die
"Umerziehungs-Sitzungen" im Institut wurde mit der Einschränkung
von Khenpos Bewegungsfreiheit innerhalb Tibets begonnen. Innerhalb der
Provinz Sichuan wurde ihm erst dann zu reisen erlaubt, wenn er zuvor die
Genehmigung der Behörden des Bezirks Serthar eingeholt hatte.
Gleichzeitig wurden zwei Kontrollposten der Sicherheitspolizei an
einem tiefer liegenden Weg, der zum Serthar Institut führte,
eingerichtet, um die Bewegungen und Aktivitäten von Bewohnern und
Besuchern zu überwachen. 1998
begrenzten die Behörden in Beijing darüber hinaus die Anzahl der
Bewohner (einschliesslich Mönche, Nonnen und Laien-Studenten), die sich
an dem Institut aufhalten durften. Khenpo Jigme Phuntsok wurde
angewiesen, die Gesamtzahl von über 8000 Einwohnern auf 150 zu
reduzieren. Khenpo wies darauf hin, dass "die Begrenzung der Zahl
der Bewohner für das Institut nicht nur Probleme verursachen, sondern
dies sogar sein Fundament erschüttern würde". Khenpo
Jigme Phuntsok argumentierte, dass " … seit es den Status einer
Akademie erworben hat, es die Pflicht eines jeden Bewohners ist, das
Institut zu bewahren und zu beschützen. Die Studenten sind aus eigenem
freiem Willen Mitglieder des Instituts geworden und daher wäre ihr
gewaltsamer Ausschluss gleichbedeutend damit, die Gesetze, die religiöse
Freiheit garantieren, mit Füssen zu treten". Khenpo unterstrich
auch den Mangel an alternativen religiösen Institutionen im heutigen
Tibet, besonders für Nonnen. Als
Ergebnis der wiederholten Bitten Khenpos genehmigten die chinesischen
Behörden eine Erhöhung der Anzahl der Bewohner, die im Institut
verbleiben durften, auf 400. Später wurde diese Zahl auf 1400 erhöht. Im März
1999 sandten die Behörden der Provinz Sichuan ein Rundschreiben mit dem
Titel "Verantwortungs-Planungs-Dokument Nr. 45" an das
Institut. Das Rundschreiben kritisierte die Grösse und Stärke des
Instituts, die Immatrikulation ausländischer Studenten, das Ausführen
komplizierter religiöser Rituale, sogenanntes unorganisiertes
Management, schlechte Gesundheits- und Hygienebedingungen und
beschuldigte das Institut, viele negative Seiten zu haben. Am
wichtigsten in dem Rundschreiben war die Verfügung, dass die Anweisung
einer Reduzierung der Bewohnerschaft des Instituts auf 1400 durchgesetzt
werden musste. Dieses Rundschreiben wies das Institut auch an, alle
religiösen Aktivitäten einzustellen, bis seine Anordnungen erfüllt
seien. Das
Rundschreiben der Regierung von 1999 diktierte eindeutig die zukünftige
Organisation des Instituts. Es legte fest, dass Beamte der VRC alle
religiösen Aktivitäten überwachen, seine Äbte berufen, jedwede
Lehre der Lamas und Tulkus in anderen Provinzen genehmigen,
"spalterische" Aktivitäten untersuchen und gegen sie
vorgehen, "patriotische Erziehung" einführen und Studenten
chinesischer Abstammung sowie diejenigen unter 18 Jahren in Zukunft vom
Studium an dem Institut ausschliessen würden. Bald nach
dem Rundschreiben vom März kamen "Arbeitsteams" aus den
Bezirken Karze und Serthar an, um seine Anordnungen umzusetzen. Sie zählten
die ständigen Bewohner, schätzten die Gesamtzahl auf 8888, und schlossen die vorübergehend
Abwesenden aus. Daran anschliessend verfügten sie, dass nur 1400
Bewohner (1000 Mönche und 400 Nonnen) zwischen 18 und 50 Jahren in
Serthar bleiben durften. Im April
2000 erfolgte der zweite Besuch von "Arbeitsteams" aus dem
Bezirk Karze und der Provinz Sichuan. Sie hatten die Anweisung
tibetische Studenten zurück in ihre Heimatregionen abzuschieben. Die
Einwohner wurden dann während einer Massenzusammenkunft nach ihren
Namen und anderen persönlichen Einzelheiten befragt, und wieder wurden
die ständigen Einwohner des Instituts gezählt. Während
des Besuchs im Jahr 2000 hielten die "Arbeitsteams" wieder
Kurse ab, die auf die politische Indoktrinierung der Studenten von
Serthar in chinesischer kommunistischer Ideologie abzielten. Da die
Bewohner Serthars sich den offiziellen Anordnungen zuverlässig
widersetzten, fürchteten die "Arbeitsteams", als sie in ihre
Bezirke zurückkehrten, Massenproteste
und mögliche Unruhen. Weder während des ersten noch während des
zweiten dieser Besuche der "Arbeitsteams" fanden erzwungene
Ausweisungen statt. Aber gegen
Ende des Jahres 2000 kam ein "Arbeitsteam" von 70 Personen im
Institut an. Seine Mitglieder waren aus verschiedenen Bezirken
rekrutiert, einschliesslich Serthar, Karze, Nyarong, Drango, Tawu,
Dartsedo und Derge in der Provinz Sichuan; Dzamthang, Chuchen und
Barkham in der "TAP" Ngaba; Golok und Rebkong in der Provinz
Tsongon; "TAP" Chamdo und "TAP" Nagchu in der "TAR".
Dieses grosse Team schloss Beamte der Regierung der VRC mit ein. Einwohnern
des Instituts - speziell chinesischen Bürgern - wurde offiziell
befohlen, an ihre Heimatorte zurückzukehren. Als die Studenten an die
Behörden appellierten, wurde ihnen mitgeteilt, dass die Befehle direkt
aus Beijing von Präsident Jiang Zemin kamen. Sie nicht zu befolgen würde
zu noch härteren Massnahmen gegen das Institut und alle Studenten führen,
die ihnen nicht Folge leisteten. Alle Bittgesuche wurden abgelehnt. Später
kehrten einige Mönche und Nonnen freiwillig nach Hause zurück; die
genaue Zahl ist nicht bekannt. Am 18.
April 2001 veröffentlichten die chinesischen Behörden eine Note, in
der sie ihren Befehl wiederholten, dass das Serthar Institut eine
Obergrenze von 1400 Einwohnern einhalten muss, was den Ausschluss von über
7000 Studenten notwendig machte. Wie berichtet wurde, wurden höhere
Beamte aus Beijing, darunter Personal der Vereinigten Arbeitsfront
Abteilung, angewiesen den Ausweisungsbefehl durchzusetzen und die
anschliessenden Zerstörungen sicherzustellen. Verschiedene
Berichte von Überwachungsagenturen weisen darauf hin, dass der Oktober
2001 von den Behörden als Stichtag für die Umsetzung der Note vom
April festgesetzt war. Die Behörden waren angewiesen, nach diesem Datum
rechtliche Schritte einzuleiten und bei fehlender Befolgung Bussgelder
zu verhängen. Eine ähnliche Note wurde an die Behörden in
verschiedenen Bezirken und Provinzen geschickt mit der Anweisung, drei
Beamte damit zu beauftragen die Studenten aus Serthar abzuholen, deren
Heimatort unter ihre Gerichtsbarkeit fiel. "Arbeitsteams"
aus verschiedenen Bezirken in den Provinzen Sichuan, Tsongon und der
"TAR" kamen ab April 2001 im Institut an und verursachten zwar
Störungen im Ablauf der
Studien, konnten aber die Aktivitäten des Instituts nicht einschränken.
Das Institut wurde wieder beauftragt, die Mehrzahl der Bewohner zu
verpflichten bis Oktober abzureisen. Nur Studenten aus dem Bezirk
Serthar erhielten die Genehmigung zu bleiben, unter der Bedingung, dass
sie dem Dalai Lama abschworen. Die
"Arbeitsteams" machten ausserdem Khenpo Jigme Phuntsok für
die wachsende Bevölkerung des Instituts verantwortlich und verlangten,
dass er die Studenten auffordere zu gehen. Er erhielt den Befehl die
"Situation" zu regeln, bevor sie "aus dem Ruder
lief". Khenpo jedoch antwortete, dass es unangebracht wäre die
Studenten zu vertreiben, denn sie seien dort nur, um buddhistische
Lehren zu studieren, und fügten niemandem Schaden zu. TEIL II |